Die Segel von Tau-Ceti
vernünftigen Eindruck gemacht«, sagte Tory. »Was glaubt ihr, wodurch dieser totale Zusammenbruch verursacht wurde?«
Sie und die anderen Menschen hatten sich um den Esstisch im Gemeinschaftsbereich versammelt. Diesmal waren sie allein, aber das hieß noch nicht, dass sie nicht beobachtet wurden. Sie alle setzten voraus, dass sie unter ständiger Observierung der Phelaner standen.
Die Mahlzeit war ausgezeichnet gewesen. Doch die Stimmung war gedrückt, nachdem sie einen Tag lang mit diesen chaotischen Impressionen konfrontiert worden waren.
Eli Guttieriz stellte die Tasse ab und schnappte sich das letzte Brötchen. Die gute Küche der Phelaner manifestierte sich bereits in den vollen Wangen und den »Rettungsringen« um die Hüfte des Linguisten, und Tory hatte auch schon bemerkt, dass ihre Schiffsanzüge an manchen Stellen etwas zwickten. Eli, der das Brötchen gerade dick mit Butter bestreichen wollte, schaute auf.
»Wir hätten wahrscheinlich genauso gehandelt, wenn wir festgestellt hätten, dass Sol sich in eine Nova verwandeln würde.«
»Aber es war so sinnlos! Sie hätten doch nur zusammenarbeiten müssen, um vielleicht Millionen zu retten.«
Guttieriz zuckte die Achseln. »Was immer noch ein vernachlässigbarer Prozentsatz der Gesamtbevölkerung gewesen wäre.«
»Sei doch nicht so herzlos, Eli!«, rügte Kit ihn.
Er grinste und zuckte die Achseln. »Wenn sie einen ausreichend großen Genpool für einen Neuanfang gespeichert hatten - welchen Unterschied hätte es da noch gemacht, wie viele Personen gerettet wurden?«
»Zumindest wissen wir nun, dass die Phelaner nichts vor uns verheimlichen.«
»Woher wollen wir das denn wissen?«, fragte Garth. Er hatte während des ganzen Essens einen verdrießlichen Eindruck gemacht. Tory hatte es auf den »Geschichtsunterricht« zurückgeführt.
»Weil, wenn sie uns etwas verheimlichen wollten, die Zeit der Fährnisse ein verdammter guter Ort wäre.«
»Ach, ich weiß nicht.«
»Ob es dir etwas ausmachen würde, das näher zu erläutern, Kapitän?«
»Es ist nichts Handfestes. Aber kommt es euch nicht auch irgendwie sonderbar vor, dass die Phelaner uns so ähnlich sind? Wie ist es möglich, dass zwei Rassen, die durch zwölf Lichtjahre Vakuum voneinander getrennt sind, sich so ähnlich sind?«
Eli zuckte wieder die Achseln. »Ähnliche Umgebungen bringen ähnliche Lösungen hervor.«
»Bis zu einem fast deckungsgleichen Sinn für Humor?«
»Wie meinst du das?«
»Gestern Abend haben Faslorn und ich uns schmutzige Witze erzählt. Ich habe den von der Mutter Oberin und dem Blinden gebracht. Und er hat ihn verstanden!«
»Er hat das Amüsement natürlich nur geheuchelt«, sagte Eli. »Die Phelaner haben nämlich einen ganz anderen Sinn für Humor als wir.«
»Woher willst du das denn wissen?«
»Wegen ihrer Sprache. Ich bekomme allmählich einen Einblick in die zugrunde liegende Struktur. Faslorn hat recht — es ist eine ziemlich schwere Sprache. Sie hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit den irdischen Sprachen, die ich jemals studiert habe.«
»Und was hat das nun mit ihrem Sinn für Humor zu tun?«
»Sprache ist das Fenster zum Gehirn. Alle menschlichen Sprachen haben bestimmte Eigenschaften gemeinsam, weil das menschliche Gehirn nämlich identisch strukturiert ist. Wenn das Gehirn der Phelaner ähnlich strukturiert wäre wie das unsere, dann würde ihre Sprache zumindest im grundlegenden Aufbau auch eine Ähnlichkeit mit den irdischen Sprachen aufweisen.«
»Warum erscheinen sie dann so menschlich?«, fragte Tory.
»Weil sie diesen Eindruck mit einem großen Aufwand erwecken. Zu diesem Zweck bedienen sie sich auch der menschlichen Gesten und der umgangssprachlichen Ausdrücke, mit denen sie ihre Rede würzen. Sie wissen, dass wir eine starke Tendenz haben, alles zu vermenschlichen — sogar leblose Objekte. Sie nutzen diese Schwachstelle im menschlichen Charakter, um unsere Akzeptanz zu erschleichen. Ihre Motive sind offensichtlich.«
»Das hast du in nur ein paar Tagen herausgefunden?«, fragte Garth.
Der Linguist zuckte die Achseln. »Das ist mein Job. Außerdem stehen die meisten Schlussfolgerungen unter dem Vorbehalt der Revision. Ich könnte schon morgen zu ganz anderen Erkenntnissen gelangen.«
»Dann bleib an der Sache dran. Es könnte relevant sein, wenn wir eine Empfehlung abgeben, ob wir ihnen Kolonien zugestehen sollen.«
»Wie können wir es ihnen nicht erlauben?«, platzte Tory heraus. »Wohin sollten sie sonst
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