Die Segel von Tau-Ceti
unteren Deck heraufführte. Und im nächsten Moment tauchten Torys Kopf und Schultern aus dem Zugangstunnel auf.
Sie war mit ihrer üblichen Kombination aus einem Trikot und Shorts bekleidet, die ihre langen Beine schön zur Geltung brachten. Ihr Haar, das sie sich direkt vor der Abfahrt hatte kurz schneiden lassen, war während des einen Jahrs im Kälteschlaf kaum gewachsen.
»Wird jetzt nicht mehr lange dauern, stimmt's?«
»Stimmt«, sagte er. »Wir gehen in zweiundsiebzig Stunden in eine Parkbahn. Wo ist überhaupt Eli?«
»Ach, er beklagte sich, dass er mit seinen Studien nicht nachkäme. Ich habe ihm angeboten, seine Schicht für ihn zu übernehmen.«
»Und was ist mit deiner eigenen Schicht?«
Sie zuckte die Achseln. »Dann lege ich halt eine Doppelschicht ein. Ich kann meine Korrelationen ebenso gut hier durchfuhren.«
»In Ordnung, aber übertreibe es nicht.«
»Geht klar.«
Sie lehnte sich gegen eine Instrumentenkonsole und schaute auf den Bildschirm, während er ein paar Einträge zum Schichtwechsel vornahm. Ein langer Seufzer lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sie.
»Was ist denn?«
»Nichts. Ich hatte nur schon gar nicht mehr damit gerechnet, zur Erde zurückzukehren.«
Er lächelte. »Du bist ein richtiger Hinterwäldler geworden, wie?«
»Was?«
»Verzeihung. Antiker Slang. Eine »Wühlmaus vom Mars< trifft es eher.«
»Die bin ich.« Sie beugte die Arme, sodass ihr Busen in der niedrigen Schwerkraft wogte. »Hoffentlich habe ich keinen Muskelschwund bekommen?«
»Aus meiner Perspektive ist mit deinen Muskeln alles in Ordnung.«
»Lustmolch!«
»Kann ich es wiedergutmachen, wenn ich sage, dass ich die menschliche Form bewundere?«
»Unter diesen Umständen erteile ich Ihnen Absolution, mein Herr.«
»Ich nehme das mit Erleichterung zur Kenntnis«, erwiderte er förmlich. »Wer hat denn vor einer halben Stunde geduscht?«, fragte er dann. »Kit.«
»Hat sie mir noch Wasser übrig gelassen?«
»Weiß ich nicht.«
»Wäre aber besser! Ich fühle mich so versifft, als ob ich mich eine Woche nicht gewaschen hätte.«
Tory schnupperte ostentativ und verzog das Gesicht. Die Geruchskulisse an Bord eines Raumschiffs war so vielfältig, dass es schwer zu sagen war, wo nun die Gerüche des Schiffs aufhörten und die Ausdünstungen der Mannschaft begannen.
Garth wandte sich zum Gehen. Aus dem Augenwinkel sah er noch Torys Gesichtsausdruck. Der schelmische Blick wich schon wieder dem langen Gesicht, das sie seit dem Abflug vom Sternenschiff gewohnheitsmäßig gehabt hatte. Von welchem Teufel sie auch besessen war, sagte er sich, er schien immer mehr Besitz von ihr zu ergreifen.
Tory starrte für eine Weile auf die Erde und den Mond. Wie mehr als ein Dichter schon festgestellt hatten, gab es kaum einen schöneren Anblick als den der Erde aus dem Weltraum. Für einen Marsmenschen, der inmitten der trockensten Wüste im Sonnensystem aufgewachsen war, hatte der wässrige Heimatplanet eine gewisse intellektuelle Schönheit. Und doch wünschte Tory sich, sie wäre wieder in der Kuppel Drei auf Phobos und hätte auf die ockerfarbene Weite und die wandernden Wände aus rotem Staub geschaut. Das kleine Mädchen in ihr sehnte sich in den Schoß der Mutter zurück, zu den vertrauten Sehenswürdigkeiten der Kindheit, wo sie ihr schreckliches Geheimnis vergessen konnte.
Dennoch musste sie zugeben, dass der Anblick der Heimatwelt, die tagtäglich größer wurde, etwas Kontemplatives hatte. Die Tatsache, dass die Menschheit noch immer unter einem »braven« Stern lebte, trug zu ihrem Seelenfrieden bei. Oder vielleicht war ihre neu gefundene Ruhe auch nur ein Ausdruck von Fatalismus. Wie die Heldin in einer griechischen Tragödie war sie entschlossen, ihre Rolle im Drama der Phelaner zu spielen, obwohl sie es wusste, dass es hoffnungslos war. Jede andere Handlung von ihrer Seite würde das Unvermeidliche nur beschleunigen.
Nachdem sie sich also in ihr Schicksal gefugt hatte, suchte Tory nach Mitteln und Wegen, das Unvermeidliche so weit wie irgend möglich in die Zukunft zu schieben. Zu diesem Zweck würde sie jedoch ein paar Handlungen vornehmen müssen, die ihr eigentlich widerstrebten. Aber sie machte sich keine Illusionen, was ihre Optionen betraf. Ihre Ausbildung als Synergistin kam ihr da zugute. Wie ein Professor einmal gesagt hatte: >Für einen Synergisten zählen nur Fakten. Alles andere wäre unehrlich. Außerdem würde es nicht funktionieren.<
Um ihre Rolle in diesem Drama zu spielen,
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