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Die Sehnsucht der Falter

Die Sehnsucht der Falter

Titel: Die Sehnsucht der Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Klein
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lassen, mich nicht mehr in die Schule zu schicken. Ich habe ihr gesagt, dass ich mir eine gewisse Schuld an Doras Tod gebe und nicht darüber hinwegkomme. Trauer, Schuld, Reue, darauf springt sie an.

Januar
1. Januar
    Ich glaube nicht, dass mein Vater in anderer Gestalt noch da ist. Ich glaube nicht, dass ich mit ihm kommunizieren kann. Das hasse ich an meiner Mutter. Sie nimmt ihre Träume wörtlich und meint, sie hätte noch Verbindung zu ihm. Selbst wenn er ihr zornerfüllt erscheint. Hauptsache, er hat sie nicht vergessen.
    Ich bin eifersüchtig auf Ernessa. Ich bin eifersüchtig auf ihre Freundschaft mit Lucy. Ich bin eifersüchtig auf ihren perfekten Körper. Ich bin eifersüchtig auf ihr Klavierspiel. Ich bin eifersüchtig, weil sie niemals Angst hat. Dennoch ist sie bloß ein Mensch, den ich nicht leiden kann. Nein, das ist zu schwach. Selbst das Wort Hass ist zu schwach. Wenn ich sie mit Lucy sehe, ekelt es mich.
    Alles, was ich über Ernessa geschrieben habe, hat mein Tagebuch ruiniert. Es ist nicht so geworden, wie ich es haben wollte. Ich bin nicht der Mensch, der ich sein wollte.
Nach dem Mittagessen
    Ich habe einen Strang Knoblauch um mein Bett gewickelt und vor dem Schlafengehen Weihrauch verbrannt. Es hat funktioniert. Ich habe viel besser geschlafen. Falls ich zurück in die Schule muss, werde ich es weiter so machen. Dann glauben alle, ich wollte mit dem Weihrauch den Geruch von Hasch überdecken.
Nach dem Abendessen
    Lucy hat eben angerufen und mir ein gutes neues Jahr gewünscht. Endlich haben wir uns richtig unterhalten. Es gab keine geschlossenen Türen zwischen unseren Zimmern. Dora ist aus der Dachrinne gestürzt. Es hätte jeder von uns passieren können. Das mit den Motten habe ich nur geträumt. Ich sagte zu Lucy, dass ich nach den Ferien vielleicht nicht wieder komme. Sie konnte es nicht verstehen.
    »Wenn wir wieder da sind, wird es uns gar nicht mehr so schlimm vorkommen«, sagte sie. »Dann haben wir es schon ein bisschen vergessen. Ich habe es schon jetzt vergessen, weil ich nicht mehr in der Schule bin. Es kommt mir allmählich wie ein Albtraum vor. Wir werden einfach in den alten Trott fallen. Es wird nicht mehr sein wie direkt vor den Ferien, als wir an nichts anderes denken konnten.«
    »Kann schon sein«, sagte ich.
    »Du musst zurückkommen«, sagte Lucy. »Ich würde dich furchtbar vermissen.«
    Ich werde nichts mehr über Vampire lesen. Mr. Davies hätte uns diesen Dingen nicht aussetzen sollen, selbst wenn er nicht dran glaubt.
    Ich könnte ein paar Seiten herausreißen und von vorn anfangen.
4. Januar
    In den Ferien habe ich viel weniger als erwartet ins Tagebuch geschrieben. So übel waren die Ferien gar nicht. Morgen ist wieder Schule. Ich fahre zurück.
8. Januar
    Andere Mädchen sind in die Zimmer von Dora und Charley eingezogen, man merkt gar nicht mehr, dass sie mal auf diesem Flur gewohnt haben. Lucy war beim Frühstück und hat mit uns allen gegessen. Die Türen zwischen unseren Zimmern stehen offen, und sie ist während der Ruhezeit zu mir gekommen. Es ist nie etwas passiert. Sie bemüht sich so, nett zu mir zu sein. Wir sind jetzt seit drei Tagen hier, und ich habe Ernessa kaum gesehen. Sie ist nicht mal zum Rauchen in den Aufenthaltsraum gekommen. Sie schließt sich dauernd in ihrem Zimmer ein. Vermutlich raucht sie da drin. Sie weiß, Mrs. Halton würde nie wagen, sie zu stören. Auch Lucy scheint ihr aus dem Weg zu gehen. Sie wartet jetzt auf mich, bevor sie zum Essen hinuntergeht.
    Ein neues Jahr.
    Ich habe mal eine Sonnenfinsternis erlebt. Die Sonne verdunkelte sich nach und nach, bis es mitten am Tag dämmrig wurde. Ich wusste, wenn ich zur Sonne hochsähe, würde sie schwarz wirken, in Wirklichkeit aber so grell scheinen wie immer. Ihr Licht würde mich blenden. Ich musste mein Gesicht festhalten, um nicht in die Sonne zu gucken. Man hatte mich wiederholt gewarnt, aber ich wollte es trotzdem tun. Die Sonne sah nur dunkel aus, so wie der Tag nur scheinbar Nacht war. Die schwarze Sonne brannte.
    Charley hat weder geschrieben noch angerufen. Ich bin beinahe froh, dass sie nicht mehr da sind, dass alles vorbei ist.
9. Januar
    Heute Morgen fragte Claire mich beim Frühstück, ob ich nachmittags mit ihr zu Mr. Davies gehen wolle. Sie wollte ihn anrufen und fragen, ob wir ihn besuchen könnten.
    Das würde ich mich nie trauen. Ich sagte, ich käme mit, obwohl wir in den nächsten Wochen Prüfungen haben. Ich habe schon viel gelernt. Sie hat mich nur gefragt,

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