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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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ließ seine Augen schmal werden. »Schlau wie eine Katze. Ich rieche gleich den Braten, wenn was nicht stimmt.«
    »Ha, Genosse, von wegen Braten. In Wirklichkeit stinkst du doch …«
    »Nicht reden!« Die Nadel surrte und stach, eifrig wie eine Wespe. »Halt still.«
    Der Tätowierer hatte eine Mischung aus Buchstaben und Nummern auf den Fingerknöcheln, die keinen Sinn ergaben, wenn man den Kode nicht kannte. Sein Atem roch so stark nach Bier, dass Alexej das Gesicht abwenden musste. Er ließ seine Augen zufallen, und auf einmal stiegen unerwartet Bilder in ihm auf. Es war die scharfe, brennende Spitze der Nadel, die sie heraufbeschwor, der sengende Schmerz, den sie hervorrief. Er erinnerte sich an einen anderen Tag mit ähnlichem Schmerz zurück, seinen allerletzten Tag in Leningrad, als er zwölf gewesen war. Seine Mutter, die Gräfin Serowa, hatte vor, ihn nach China zu schmuggeln, weg von den bolschewikischen Unruhen, und Jens war gekommen, um sich von ihm zu verabschieden. Er hatte Alexej die Hand geschüttelt, als wäre er ein Erwachsener, und ihn gebeten, auf seine Mutter aufzupassen. »Ich bin stolz auf dich«, hatte Jens gesagt, und jetzt erinnerte sich Alexej wieder an den Ausdruck tiefer Sorge in seinen grünen Augen, sah die Sonne, die sein Haar zum Funkeln brachte, während er auf seinem Pferd davonritt, und dachte an den schneidenden Schmerz in seiner Brust zurück. Nicht auf der Haut, wie jetzt, sondern tief in seinem Inneren.
    Lydia hatte ihm einmal gesagt: »Das Problem mit dir, Alexej, ist, dass du verdammt noch mal so hochmütig bist.«
    Schau mich jetzt an, Lydia. Kein Hochmut mehr da, stimmt’s? Hier liege ich, zerlumpt, der Gnade von einer Gruppe Dieben ausgeliefert, und lasse mir die Haut mitten in diesem Dreck mit unsauberen Nadeln aufritzen. Bin ich dir demütig genug? Und wenn sie herausfinden, dass ich sie angelogen habe, was meinen Aufenthalt als Gefangener im Lager von Trowitsk angeht, dann werden sie dieses Brandzeichen meiner Mitgliedschaft mit Säure wieder entfernen. Oder, noch schlimmer, mit einem Messer.
    »Schaut ihn euch an.« Es war die flüsternde Stimme des Mannes mit dem geölten Haar. »Er ist eingeschlafen.«
    »Oder er versucht, uns zu zeigen, wie abgebrüht er ist.«
    »Zu gelangweilt, um wach zu bleiben.«
    »Er ist ein arrogantes Arschloch. Was, zum Henker, will Maxim eigentlich mit ihm?«
    Alexej öffnete die Augen, starrte direkt in das Gesicht und hob die Flasche an seine Lippen. Er nahm einen tiefen, alles ertränkenden Schluck.
    Chang war sanft zu ihr. Sanfter, als Lydia ihn jemals erlebt hatte. Als fürchtete er, sie zu zerbrechen. Oder lag es daran, dass er sich zu sehr an die zarten chinesischen Orchideen gewöhnt hatte, die man mit Samthandschuhen anfassen musste? Sie hörte sich selbst wimmern. Versuchte, den Klagelaut zu unterdrücken, konnte es jedoch nicht, denn sie wünschte sich nichts anderes, als dass er sie zerbrach und so wieder zusammensetzte, dass sie endgültig mit ihm verschmelzen konnte, mit Haut und Haaren, mit Körper und Seele.
    Doch während er sie liebkoste, sie streichelte, während er ihre Brüste küsste und ihren nackten Körper erkundete, als wäre es ein vertrautes Gebiet, das er sich noch einmal einprägen wollte, um es nie wieder zu vergessen, spürte sie, wie sich etwas in ihr Bahn brach. Sie begann zu zittern. Es war, als würde all das Schlimme, das sie erlebt hatte, all der Schmerz und die Angst und die Wut und die Sehnsucht aus ihr herausfließen.
    Er hielt sie im Arm. Er wiegte sie, murmelnd, tröstend, und drückte sie so fest an sein Herz, dass sie jegliches Gefühl für Grenzen verlor und seinen starken Herzschlag mit dem ihren verwechselte. Sie klammerte sich an ihn, atmete ihn ein, spürte ihn, wie er langsam, Atemzug um Atemzug, wieder ein Teil von ihr wurde.
    Und als das Beben in ihr abgeebbt und all die Geräusche in ihrem Kopf unter dem Streicheln seiner Hand verstummt waren, küsste er sie mit einer solch leidenschaftlichen Gier auf den Mund, dass es sie schmerzte. Sie spürte, dass er gewusst hatte, sie wäre vorher noch nicht bereit gewesen. Wie kam es bloß, dass er sie besser kannte als sie sich selbst? Ihre Glieder schlangen sich um die seinen, und sie versenkte ihre Augen in den seinen. So fanden sie sich wieder.
    Ihre Haut roch noch genauso wie früher. Sie glänzte vor Schweiß und besänftigte Changs Angst, dieses Fuchsmädchen könnte sich auf seiner Reise doch zu weit von ihm entfernt haben. Ehe sie

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