Die Sehnsucht der Konkubine
mit Lebensmitteln oder Kleidung zu versorgen und mit Schmiergeld. Weißt du, Alexej, ein Gefängnis ist für einen wor ein ganz natürlicher Aufenthaltsort, dort hat er das Sagen. Die meisten unserer Brüder sitzen hinter Gittern, denn jede Gefängnisstrafe ist ein Ehrenzeichen und wird durch eine neue Tätowierung gefeiert.«
»Das ist mir unverständlich.«
Maxim hatte gelächelt, und seine Augen blickten geheimnisvoll. »Dir vielleicht. Mir nicht.«
Alexej fragte sich, was, zum Teufel, hier eigentlich vorging. Was war die Geschichte dieses Mannes, und welche Verbrechen hatte er begangen? Als könnte Maxim Gedanken lesen, hatte er sich auf seine Seite des breiten Bettes gerollt, langsam das Oberteil seines Pyjamas aufgeknöpft und es zur Seite geschlagen. Seine Brust war breit und kräftig, die Rippen machtvoll wie die eines Bullen, die Haut unbehaart und schlaff.
Alexej hatte die Luft angehalten. »Beeindruckend.«
Mitten auf Maxims Brust prangte eine üppige blaue Tätowierung. Sie zeigte ein großes und fein ausgearbeitetes Kruzifix.
»Siehst du das?« Der ältere Mann hatte mit entschlossenem Finger auf die Abbildung darüber gezeigt, die sich zwischen den Schlüsselbeinen befand. »Siehst du diese Krone? Die bedeutet, dass ich der pakhan bin. Der Chef unserer wory- Zelle. Ohne mich wären die nichts. Was ich sage, wird gemacht.«
Er hatte seinen anderen Ärmel aufgekrempelt, und Alexej beugte sich fasziniert hinab. Von der Schulter bis zum Handgelenk war jeder Zentimeter Haut mit Tätowierungen bedeckt. Eine Kirche mit Zwiebeltürmen und einer sanft dreinblickenden Madonna steckten beunruhigenderweise hinter Stacheldraht und einer Reihe von Gefängnisgittern. Auf Maxims Bizeps grinste ein Totenkopf, und auf seinem Ellbogen hatte sich ein Spinnennetz um die Flügel eines Adlers geschlungen.
Maxim beobachtete Alexej, sah das Feuer, das in ihm aufstieg. »Jede hat ihre Bedeutung«, sagte er in einem verführerischen Flüstern. »Schau dir meine Tätowierungen an, und du siehst mein Leben. Den ersten Mörder der Welt hat Gott mit einem Zeichen versehen und ihn in die Verbannung geschickt. Das Kainsmal.« Er hatte seinen Ärmel wieder heruntergekrempelt und seine Brust bedeckt. »Es brandmarkte seinen Träger als Kriminellen und gesellschaftlichen Außenseiter. Sag mir, ist es das, was auch du bist, Alexej Serow? Ein gesellschaftlicher Außenseiter?«
Der Schmerz war nicht allzu schlimm, aber es tat weh. Bei dem Tätowierer handelte es sich um einen kahlköpfigen Mann mit einem glatten Gesicht und einer tätowierten Träne in jedem Augenwinkel. Er war ein Künstler, der Freude an seiner Arbeit hatte und vor sich hin lächelte, während er Alexejs Brust für die Tätowierung vorbereitete. Dabei summte er wieder und wieder eine Melodie aus Beethovens Fünfter Sinfonie .
Alexej zündete sich eine Zigarette an und betete zu Gott, dass er keine Blutvergiftung bekommen würde.
»Das passiert manchmal«, sagte der Tätowierer grinsend. »Manche sterben sogar.«
Alexej blies den Rauch in seine Richtung. »Diesmal nicht«, sagte er und knöpfte sein Hemd auf.
»Bitte nicht rauchen.«
»Ich rauche, wenn ich das will.«
» Njet . Deine Brust muss so regungslos bleiben wie Stein.«
»Mist!«, sagte Alexej und drückte die Zigarette aus.
Die Männer in dem Weinladen lachten, während sie der Prozedur zusahen und sich an seinem Unbehagen weideten. Einer von ihnen, ein drahtiger Zwanzigjähriger mit pockennarbigen Wangen, ging zu einem der Weinregale hinüber und zog eine Flasche hervor. Er wischte den Staub mit einem Hemdsärmel ab und benutzte den Korkenzieher, der an einer Kette neben der Tür hing, um die Flasche zu öffnen. Er hielt Alexej die Flasche hin.
»Hier, maljutka , trink.«
» Spassibo , vielleicht macht euch das alle ja ein bisschen hübscher.«
Der junge Mann lachte. »Was könnte hübscher sein als das, mein Freund?« Er schnürte seinen Stiefel auf und zog die Socke aus. »Schau mal, towarischtsch . Ist das hübsch genug für dich?«
Es war eine Katze, die den gesamten Rist des Fußes bedeckte. Eine lachende Katze mit getigertem Fell, einer blauen Frackschleife unter dem Kinn und einem breitkrempigen Strohhut.
Alexej lachte. »Und was bedeutet das? Dass deine Füße wie Katzenpisse stinken?«
Der wor stupste den Tätowierer am Ellbogen an, und die Nadel stieß tiefer in Alexejs Haut. Alexej verzog keine Miene, doch den Wein akzeptierte er.
»Das bedeutet, dass ich schlau bin.« Der wor
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