Die Sehnsucht der Konkubine
Kater. »Die wory «, murmelte er und stieß einen großen Schwall übel riechenden Atem aus. »Dann ist er ein toter Mann.«
Lydia dachte, sie habe sich verhört. Sie spürte, wie die Hohlräume in ihrer Brust zu zittern begannen, und das ganze Haus schien auf einmal zu schwanken.
»Sag mir, Liew, wer diese w ory w sakone sind.«
»Kriminelle.«
»Eine kriminelle Bruderschaft«, erklärte Elena.
Lydia setzte sich neben Popkow auf das Bett. »Erzähl mir mehr.«
»Sie lassen sich zum Zeichen ihrer Verbundenheit am ganzen Körper tätowieren. Sie nennen sich wory w sakone , Diebe im Gesetz. Mir sind sie schon öfter untergekommen. Ursprünglich hat die Bewegung in den Gefängnissen und Arbeitslagern ihren Anfang genommen, aber mittlerweile haben sie sich in ganz Russland verbreitet, wie eine verdammte Plage.«
»Und was wollen sie von Alexej? Er ist kein Dieb.«
Popkow grunzte und gab keine Antwort. Lydia lehnte sich gegen seinen Arm, als wäre er eine Wand. »Warum die Tätowierungen?«
»Offenbar bedeutet jede Tätowierung etwas«, sagte Elena. »Das ist wie eine Art Geheimsprache innerhalb der Vereinigung. Und allein der Anblick der Tätowierung ist den Leuten eine Warnung.«
»Sind sie gefährlich?«
Die beiden zögerten. Es war nur eine winzige Reaktion, die Lydia dennoch nicht entging. Schließlich schlug ihr Popkow mit seiner Bärenpranke auf den Rücken, ein Schlag, bei dem sie sich vor Schreck auf die Lippe biss. Sie schluckte das Blut hinunter.
»Na, komm schon, kleine Lydia«, sagte Popkow mit einem Stirnrunzeln. »Du brauchst ihn nicht. Wir kommen sehr gut auch ohne deinen Bruder zurecht.«
Seine Augenbrauen zogen sich über dem breiten Nasenansatz zusammen, und er schaffte es gerade noch, mit einer Hand den Faustschlag abzuwehren, den sie ihm ins Gesicht versetzen wollte. Mit einem Knurren schlang er beide Arme um ihren schmalen Körper, so dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Schließlich blieb sie einfach so da sitzen, den Kopf an seine Brust gelegt, und begann, endlich ein paar klare Gedanken zu fassen.
»Wenn er bei diesen Kriminellen, diesen wory , ist«, sagte sie, »dann weiß der Junge das. Edik hat bestimmt eine Idee, wo wir sie finden.« Sie machte sich frei und sprang auf. »Elena, ich werde ein bisschen Wurst für den Hund brauchen.«
Edik, wo bist du?
Lydia lief gerade die Treppe hinunter, als die Haustür aufging. Die Portiersfrau war quer durch die Halle gehuscht, um ihren Pflichten nachzugehen. Sie notierte sich den Namen des Besuchers und verschwand mit einer Geschwindigkeit im hinteren Trakt des Hauses, die Lydia bereits hätte misstrauisch machen müssen. Doch sie war in Gedanken, weil sie sich überlegte, wo sie mit ihrer Suche nach dem Jungen beginnen sollte.
»Guten Abend, Lydia. Dobry wetscher .«
In der schäbigen Eingangshalle mit ihren braunen Wänden und der schummrigen Lampe hatte Lydia nicht einmal einen Blick auf den Besucher geworfen. Jetzt tat sie es und blieb prompt stehen.
»Antonina. Ich hatte nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen.«
Die elegante Frau lächelte. »Ich habe deine Adresse in Dmitris Notizbuch gefunden. Ich hoffe, es macht dir nichts aus.«
»Natürlich nicht. Du bist immer willkommen.«
»Ich bin gekommen, um mit dir zu reden, aber du scheinst auf dem Weg nach draußen zu sein.«
Lydia zögerte. In der Tat hatte sie es eilig. Doch allein der Anblick dieser Frau mit ihrem langen, dunklen Haar, das ihr offen über die Schultern fiel, und dem Pelzkragen, den sie bis zu den kleinen Ohren hochgeschlagen hatte, als wollte sie sich gegen die ganze Welt schützen, weckte in ihr den Wunsch zu bleiben.
»Geh ein Stück mit mir«, sagte Lydia und machte sich auf den Weg in Richtung Tür.
Auf der Straße musste sich Antonina mit ihren weichen Stiefelchen anstrengen, mit ihr mitzuhalten, und Lydia zwang sich, langsamer zu gehen, obwohl es ihr schwerfiel. Der rußige Himmel hing tief über den Dächern, und es war schon fast dunkel. Selbst zu dieser späten Stunde standen noch Menschen Schlange vor dem Metzgerladen, Frauen scharrten ungeduldig mit den Füßen in den Sägespänen, in der Hoffnung, dass es doch noch eine Fleischlieferung geben würde. Ein Stückchen Schweinebauch. Oder eine Hand voll Knochen für eine Suppe.
»Du siehst gut aus«, meinte Lydia und lenkte sie über die Straße, wobei sie sich ihren Weg rund um einen Haufen gefrorene Pferdeäpfel suchen mussten.
Wieder lächelte Antonina, ein winziges Zucken ihres breiten
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