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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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Mundes, und zog schwungvoll ihr Haar aus dem Kragen. Eine Geste, bei der es Lydia lieber gewesen wäre, sie hätte sie nicht gemacht, denn ihre Mutter hatte genau die gleiche Angewohnheit gehabt.
    »Du bist diejenige, die gut aussieht, Lydia«, sagte Antonina. »Irgendwie anders, wenn ich dich so anschaue. Du wirkst …« Sie legte den Kopf schief und nahm Lydia ins Visier. »Glücklich.«
    »Ich mag Moskau. Ich fühle mich wohl hier.«
    »Das sieht man. Aber sei auf der Hut, Lydia. Es gibt viel Getuschel hier.«
    Einen Moment lang schauten sie sich an, dann wandten sie den Blick ab und konzentrierten sich auf den Weg und auf die vielen vereisten Stellen, denen es auszuweichen galt.
    »Weshalb bist du denn gekommen?«, fragte Lydia beiläufig, weil ihr schien, Antonina würde noch ewig weiter neben ihr hertrotten, ohne etwas zu erklären.
    »Manchmal sagt mir Dmitri Dinge, weißt du. Besonders, wenn er ein paar Gläser Weinbrand getrunken hat.«
    »Was für Dinge denn?«
    »Zum Beispiel, wo dein Vater ist.«
    Lydia wäre beinahe flach aufs Gesicht gefallen, weil sie mitten in einen Haufen schmutzigen Schnee gelaufen war.
    »Sag es mir«, antwortete sie mit trockenen Lippen.
    »Er sitzt hier in Moskau in einem Gefängnis, in einem Geheimgefängnis.«
    Mehr? Bitte, lass es mehr sein. »Das weiß ich auch schon, aber wo genau?«
    »Er arbeitet an einem Entwicklungsprojekt für das Militär.«
    Keine medizinischen Experimente. Er ist kein Versuchskaninchen.
    »Offensichtlich geht es ihm gut.«
    Er ist nicht verletzt. Nicht krank.
    Lydia ging schneller. Als könnte sie ihn endlich erreichen, wenn sie jetzt nur schnell genug ging. Doch Antonina wurde wieder langsamer, und Lydia war gezwungen, sich umzudrehen und zu warten.
    »Nun lauf doch nicht davon«, beklagte sich Antonina. »Ich bin noch nicht fertig.«
    Lydia stand ganz still auf dem Gehsteig und sah sie an. Ihre Wangen fühlten sich taub an. »Wo ist das Gefängnis, und warum sagst du mir das alles?«
    Antoninas immer so gefasstes Gesicht wurde weich, und sie neigte wie zur Entschuldigung den Kopf und knetete ihre behandschuhten Hände. »Tut mir leid, Lydia. Ich weiß nicht, wo es ist. Dmitri hat es nicht gesagt.«
    »Hast du gefragt?«
    »Nein.«
    »Wirst du ihn fragen?«
    »Wenn du möchtest.«
    »Natürlich möchte ich das.«
    »Er ist im Moment sehr aufmerksam, ich könnte es also probieren. Schau nur, was er mir geschenkt hat.« Sie schlug die breite Manschette des Silberfuchsmantels zurück und gab den Blick auf ein schmales Handgelenk frei, das in einem grauen Lederhandschuh steckte. Die Haut war so bleich, dass sie fast weiß wirkte. Um das Handgelenk lag ein breites, goldenes Armband mit Einlegearbeiten aus Amethysten und Elfenbein.
    »Wie findest du es?«
    »Es ist offenbar sehr alt und wunderschön.«
    Antonina betrachtete das Schmuckstück einen Moment lang fragend, streifte es dann mit einer blitzschnellen Handbewegung ab und steckte es in ihre Manteltasche.
    »Ich hasse es«, sagte sie.
    »Warum?«
    »Ich habe Angst, dass Blut daran kleben könnte. Dass irgendeine alte zaristische Gräfin es Dmitri gegeben hat, um ihn zu bestechen, damit ihr Ehemann am Leben bleibt. Im Lager, meine ich. Irgendein weißrussischer General mit einem großen Schnurrbart und stolzen Augen, der aber zu schwach ist, um noch in den Minen oder den Wäldern zu arbeiten.« Sie wandte den Kopf ab und spuckte in die Gosse. »Das befürchte ich.«
    »Antonina, warum sagst du mir das?«
    »Weil ich möchte, dass du mir vertraust.«
    »Warum, um alles in der Welt, sollte es dir etwas bedeuten, dass ich dir vertraue?«
    Die Frau rieb ihre Handschuhe aneinander, was ein leichtes Rascheln hervorrief. Es klang wie Flügelrauschen. »Wenn ich dir sage, dass dein Vater sein streng bewachtes Gefängnis alle paar Tage verlässt und auf der Ladefläche eines Lastwagens durch die Straßen von Moskau fährt, um zur Arbeit an einem weitaus weniger streng bewachten Platz gebracht zu werden – wirst du mir dann trauen?«
    Lydia streckte eine Hand aus und hielt sanft Antoninas Hände fest. »Was möchtest du denn, Antonina? Sag es mir.«
    »Ich möchte wissen, wo dein Bruder Alexej ist.«
    »Er ist wieder verschwunden.«
    »Wie bitte?«
    »Wir wissen nicht, wo er ist.«
    »Tschort!« Antoninas Gesicht war vor Unmut verzerrt. »Lydia, du hast ihn schon einmal aus den Augen verloren. Was ist los mit dir? Kannst du niemanden bei dir behalten? Du scheinst alle zu verlieren, sogar deinen Vater. Um

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