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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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steig ein.«
    Sie kletterte neben ihm auf den Vordersitz, und Igor stieg hinter ihr zu. Alexej legte den ersten Gang ein.

NEUNUNDVIERZIG

    E ntspann dich, Lydia, genieß einfach die Fahrt.« Er packte das Steuer fester, das ihm auf der holprigen Straße fast aus den Händen geglitten wäre. Igor stöhnte auf, als der Lastwagen quer durch einen schmalen Graben fuhr.
    »Haben die keine Wachposten, die patrouillieren?«, fragte Lydia. »Heckenschützen in den Bäumen?«
    »Natürlich. Deshalb sitzen wir ja auch in einem Armeelastwagen. Der wird niemandem besonders auffallen.«
    »Und was passiert, wenn wir da sind?«
    »Wir werden bestimmt nicht am Tor halten und anklopfen, wenn du das meinst. Mach dir keine Gedanken.«
    »Ich mach mir aber Gedanken.«
    Alexej schaute seiner Schwester ins Gesicht. Das war nicht die Lydia, mit der er durch halb Russland gereist war. Die Lydia von damals wäre vor Aufregung kaum zu bremsen gewesen.
    »Was ist los mit dir?«, fragte er ruhig.
    » Tschort! Was denkst du denn, das mit mir los ist?« Sie blinzelte mehrfach und starrte wieder nach vorne durch die Windschutzscheibe. »Es ist diese wahnsinnige Fahrerei.«
    »Du wolltest das Gelände sehen, wo Jens Friis arbeitet.«
    »Ja.«
    »Dann halt dich fest.«
    In diesem Moment drehte er das schwere Steuer zur Seite, wobei er beide Arme einsetzen musste, und verließ den Schotterweg.
    »Da lang.« Igor zeigte nach rechts.
    Ein niedriger Ast schlug gegen das Seitenfenster, und Lydia zuckte bei dem knirschenden Geräusch zusammen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Etwa eine halbe Meile lang konnte sich Alexej auf nichts anderes konzentrieren als darauf, wie er den verdammten Lastwagen am besten zwischen den Bäumen hindurchmanövrierte und dabei sowohl Wasserrinnen als auch den gefrorenen Schneeverwehungen auswich, die sich überall türmten und zu gefährlichen Fallen geworden waren.
    »Was ist los, Lydia?«, fragte er erneut, als das Gelände wieder etwas leichter zu befahren war.
    Ihre Hände lagen wie kleine Fremdkörper in ihrem Schoß, reglos und steif. »Konzentrieren wir uns einfach auf unseren Vater«, murmelte sie leise. »Und auf diese halsbrecherische Fahrt hier.«
    »Wenn du willst.«
    »Ja, das will ich.«
    »Ist denn mit dir alles in Ordnung? Ist etwas passiert?«
    »Mir geht es gut.«
    Eine ihrer behandschuhten Hände rutschte von ihrem Schoß weg und blieb in dem Raum zwischen ihrem Oberschenkel und seinem liegen, schmiegte sich ein wenig an, als suchte sie nach Wärme. Er trat auf die Bremse, um einem Baumstumpf auszuweichen, und der Lastwagen brach zur Seite aus. Dabei schleifte er mit seiner ganzen Länge an einem Ast entlang, der mit Eiszapfen behängt war. Es knallte, als würden sie von Schrotkugeln durchsiebt.
    »Alexej, hast du eigentlich eine Ahnung, wo, zum Teufel, das alles hinführt?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke, und er wusste, dass sie damit nicht den Wald meinte.
    »Wie wär’s mit dem Baumwipfel da oben?«
    Sie lächelte.
    Rasch wandte er den Blick ab und konnte gerade noch das Steuer herumreißen, bevor sie in einen verkohlten Kiefernstumpf gekracht wären.
    »Ist es das?«
    »Ja. So weit fahren wir, den Rest machen wir zu Fuß.« Alexej drängte sie zur Eile.
    Sie kletterten aus dem Lastwagen. In der Luft hing ein gespenstisch weißer Dunst, der zwischen den Bäumen waberte wie lockende Finger. Igor schnallte sich eine Stofftasche auf den Rücken.
    »Es liegt direkt vor uns«, sagte er.
    Sie machten sich im Gänsemarsch auf den Weg, wobei sie sich immer dicht an die dunklen Baumstämme hielten. In diesem Nebel konnte man sich leicht verlieren.
    Alexej zog seine Pistole aus der Tasche.
    »Wachposten?«, flüsterte Lydia.
    Er nickte. »Sie gehen zu zweit Streife in den Wäldern. Aber die Soldaten frieren und langweilen sich, und da monatelang nichts passiert ist, rechnen sie auch nicht damit, weshalb sie nicht besonders aufmerksam auf das achten, was im Wald geschieht. Die verbringen mehr Zeit damit, am Gelände selbst zu patrouillieren.«
    »Alexej, warum ist Maxim mitgekommen? Es ist bitterkalt heute, und er sieht krank aus. Selbst dort in dem Auto könnte es gefährlich für ihn werden, wenn man ihn findet und verhört. Das war nicht nötig.«
    »Doch, das war es. Um die wory daran zu erinnern, wer ihr pakhan ist.«
    »Um die Diebe daran zu erinnern? Oder dich?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Ja.«
    Es war keine Frage, auf die er gerne eine Antwort geben

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