Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
Vom Netzwerk:
Alexej wie ein Schlag ins Gesicht, und erst in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass ein Teil von ihm Maxim Woschtschinski in Verdacht gehabt hatte. Dass er befürchtet hatte, er sei weg. Doch warum hätte er das tun sollen, wenn er sich gerade so skrupellos und knallhart gezeigt hatte, nur um sie schützen? Alexej und Lydia nahmen ihre alten Plätze auf dem Rücksitz ein, und Alexej begrüßte Maxim, indem er ihn dankbar in die Arme schloss. Der ältere Mann roch nach Weinbrand, doch seine Haut fühlte sich spröde und kalt an, als hätte er sich draußen im Wind aufgehalten.
    »Gut, dich wohlbehalten wiederzusehen, mein Sohn«, lächelte Maxim.
    »Danke, Vater.«
    Lydia griff über Alexej hinweg und nahm eine von Maxims Händen. Sie zog den Handschuh ab und hob sie an ihre Lippen, drückte einen Kuss auf das von dicken Adern durchzogene Fleisch.
    »Spassibo, pakhan« , murmelte sie.
    Der Chef der wory w sakone entzog ihr seine Hand mit einem eisigen Lächeln, das seine Augen nicht berührte.
    »Alexej«, sagte er. »Weis deine Schwester in ihre Schranken.«
    In dem Zimmer roch es nach Blut. Metallisch und salzig und klebrig wie Teer stieg ihm der Geruch in die Nase. Alexej stand direkt hinter der Tür im Raum, mit pochendem Herzen, und versuchte herauszufinden, woher der Geruch kam. Er hatte Lydia nach Hause begleitet und war auch mit ihr die schmale Treppe hochgekommen. Doch oben am Treppenabsatz hatte ein dünner Mann mit argwöhnischen Augen und Geheimratsecken gewartet, dessen rote Armbinde ihn als den Vorsitzenden des Wohnungskomitees auswies. Er trat ihnen in den Weg.
    »Genossin, da ist ein Fleck auf dem Boden, direkt vor eurem Zimmer. Bitte putzt das auf.«
    Lydia blinzelte, als hätte sie nicht richtig gehört, stieß dann einen kleinen Schrei aus und drängte sich an ihm vorbei zu ihrer Tür.
    Verärgert biss sich der Mann auf die Lippe. »Sieht wie Blut aus«, rief er ihr hinterher.
    Alexej folgte ihr. Es war Blut. Und in dem Zimmer war noch mehr davon. Die große Frau, Elena, stand am Bett. Sie hob kurz den Kopf, um zu sehen, wer da hereingestürmt war, ohne anzuklopfen. Ihre blassblauen Augen blickten hart und wütend. Neben ihm hatte Lydia wie ein kleines Tierchen zu wimmern begonnen, und ihre Zähne klapperten, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.
    »Liew«, flüsterte sie. »Liew.«
    Auf dem Bett lag der große Mann, alle viere von sich gestreckt. Seine fassförmige Brust war nackt und frei bis auf einen Verband, der so aussah, als stünde ein großer, scharlachroter Teller darauf. Es war ein leuchtendes, schreiendes Rot. Jeder Quadratzentimeter seiner Haut war mit Blut, Schweiß oder blauen Flecken bedeckt, und das schwarze Auge war in eine ebenso schwarze Höhle eingesunken. Nur sein Mund, so aufgesprungen und blutig die Lippen auch waren, verzog sich zum Anflug eines schiefen Grinsens.
    »Lydia«, krächzte er.
    Sie lief quer durch das Zimmer. Blut färbte auf sie ab, als sie sich über ihn beugte und ihn auf die unrasierte Wange küsste.
    »Du bist nicht tot«, sagte sie. Es klang wie ein Vorwurf.
    » Njet . Ich hab drüber nachgedacht. Aber ich habe es mir anders überlegt.«
    »Ich bin froh.« Sie strahlte ihn an, raufte zärtlich seinen Bart. »Ich dachte wirklich, du wärst tot, du großer Volltrottel.«
    Alexej fragte sich, ob sie eine ebenso verzweifelte Energie an den Tag gelegt hätte, wenn er eines Tages dem Tod von der Schippe gesprungen wäre. Er bezweifelte es.
    »Die haben dich rausgeschmissen, stimmt’s?«, lachte sie. »Haben deinen stinkenden Körper nicht mehr im Knast behalten wollen?«
    Der Kosak grunzte.
    Sie tätschelte den Verband auf seiner granitharten Brust. »Lässt es mal wieder ganz schön krachen, was?«
    Er grunzte abermals, und von irgendwoher unter dem Verband kam eine Art Blubbern. Es hätte durchaus ein Lachen sein können.
    »Halt die Klappe«, fauchte Elena. »Nicht reden, Popkow.«
    Sie stand immer noch an derselben Stelle und starrte Lydia mit kaum verhohlener Wut an. In der einen Hand hielt sie ein weißes Emaillebecken, in dem sich scharlachrote Wattebäusche und blutgetränkte Bandagen häuften. In der anderen, die sie mit der Handfläche nach oben hielt, lag eine blutbefleckte Gewehrkugel.
    »Hast du ihm die rausgeholt?«
    »Jemand musste es machen.«
    »Betäubungsmittel?«
    Sie warf einen Blick auf die leere Wodkaflasche am Boden und versetzte ihr einen Fußtritt, so dass sie unters Bett rollte.
    »Elena«, sagte Lydia mit tränenerstickter Stimme.

Weitere Kostenlose Bücher