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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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den Luftschiffkörper hoch. Sofort wurde die Luft kälter. Ein weiches, graues Zwielicht sickerte von den Lampen draußen durch die silbrige Haut herein, und es war gespenstisch still. Das Innere des Luftschiffes war riesig, höhlenartig, wie der Bauch eines Wals, hatte Olga immer gesagt. Er jedoch, der das Luftschiff konstruiert hatte, konnte sich jedes Mal des Gefühls nicht erwehren, nur noch ein winziges Etwas zu sein, eine Fliege im Netz einer riesigen Spinne, das aus lauter feinen Metallverstrebungen gebaut war. Er legte den Kopf in den Nacken und blickte nach oben. Das Luftschiff war schön, unbeschreiblich schön. Er war stolz darauf.
    Plötzlich drang von unten ein Geräusch an seine Ohren und brachte seinen Puls zum Rasen. Er konzentrierte sich wieder auf das, was zu tun war, und balancierte über die Mittelplanke zur Gaszelle. Dabei handelte es sich um große Wasserstoffmonde, die das Luftschiff am Schweben hielten, und es war das Werk von nur einer halben Sekunde, einen Meißel durch die dehnbare Haut zu stoßen. Er hörte, wie das Gas entwich. Es klang wie das wütende Fauchen einer Katze.
    »Gefangener Friis!«
    Jens fuhr herum. Es war eine der Schwarzen Witwen. Nur der Kopf des Mannes war über der Klappe zu erkennen. »Was machst du da oben, Gefangener Friis?«
    »Meine Arbeit, Genosse. Bis meine unglückseligen Gefährten wieder zu mir stoßen.« Jens steckte den Meißel in die Tasche und ging zu der Klappe zurück, so dass er seinem Bewacher direkt auf das schüttere Haar schauen konnte. Selbst die Brille des Mannes sah irgendwie verärgert aus. »Ich habe die Befestigung der Gasbehälter überprüft. Für den bevorstehenden Test darf man nichts dem Zufall überlassen.«
    In den Augen des Mannes stand Argwohn, doch konnte er gegen das Gesagte nichts einwenden und stieg deshalb die Treppe wieder hinunter, um Jens den Zugang zur Gondel nicht zu versperren. In dem Moment, in dem er außer Sicht war, nahm Jens das Feuerzeug aus seiner Tasche und hielt es an die Laufbühne. Ihm blieben Sekunden. Nicht mehr. Dann glitt er geschmeidig die Treppenstufen wieder hinunter und lief direkt auf die Tür der Gondel zu. Zu seiner Überraschung saß die Schwarze Witwe an einem der Tische, schaute aus dem Fenster und rauchte eine Zigarette.
    »Kommst du nicht mit, Genosse?«, fragte Jens.
    »Noch nicht. Ist so friedlich hier, finde ich.«
    Jens beschloss, nicht mit ihm zu streiten. Er öffnete die Tür und stieg die Treppe so schnell hinab, dass er fast gefallen wäre. Doch noch bevor er auf dem Betonboden auftraf, war auf einmal um ihn herum die Hölle los.

VIERUNDFÜNFZIG

    D as jähe Auflodern der Flammen riss die Dunkelheit entzwei. Ein Schwall heiße Luft versengte die Haut von Lydias Gesicht und sog die Feuchtigkeit von ihren Augäpfeln auf, was sich anfühlte, als hätte sie Sand unter den Lidern. Sie konnte sie kaum aufmachen. Dann stieg ihr der Geruch in die Nase – beißend, scharf, erstickend.
    Nur einen Moment zuvor hatte Chang erneut den Versuch gewagt, sich zu der offenen Tür vorwärtszukämpfen, kaum mehr als ein Schatten, der an der Wand entlanghuschte. Er wollte herausfinden, was genau in dem kleinen Hangar brannte, doch dann schoss auf einmal eine Flammenwand von fast zwanzig Metern in die Dämmerung empor, und Lydia sah, wie Chang sich umdrehte und zu ihr zurückgelaufen kam. Die Explosion hatte ein riesiges Loch in die Seitenwand des Hangars gerissen, und ein orangeschwarzes Inferno loderte in seinem Inneren. O Gott, Jens ist dort drinnen. Sie war sich sicher.
    »Nein!«, schrie sie. Bevor Chang sie erreichen konnte, rannte sie bereits in das brennende Gebäude.
    Der Rauch kam auf sie zu wie riesige schwarze Wellen, die sie verschluckten. Er verklebte ihre Lungen und brachte sie zum Würgen, bis sie nichts mehr sehen, nicht mehr atmen konnte. Sie zog den Mantel aus, legte ihn sich über Kopf und Schultern. Ein Regen aus brennendem Holz und Unrat ging auf sie hernieder wie Schrapnell, doch sie kämpfte sich hindurch, den Arm zum Schutz vors Gesicht gehoben. Sie schrie den Namen ihres Vaters.
    »Jens! Jens!«
    In dem Rauch und den Flammen konnte sie nichts erkennen. Es war ein Alptraum. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätte sich eine eiserne Spange darum gelegt. Immer wieder schluckte sie Rauch, und da war ein heißer Schmerz in ihrer Brust. Dann traf sie etwas Hartes und Schweres am Rücken, und sie ging zu Boden. Da sie ihre Augen nicht mehr auf einen Punkt konzentrieren konnte, wusste sie, dass

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