Die Sehnsucht der Konkubine
Rauch. Sie würgte, erbrach sich und spürte, wie sie in ein schwarzes Loch gesogen wurde, das so tief und so erstickend war, dass sie es nie mehr schaffen würde, daraus wieder hervorzukriechen.
Alexej sah zu, wie der Hangar zum Feuerball wurde. Er verwandelte das ganze Gelände in ein schreiendes, kreischendes Chaos. Die Dunkelheit wurde von sich windenden Schatten durchbrochen, während die Flammen mehr und mehr um sich griffen. Der Lärm war ohrenbetäubend.
Menschliche Gestalten taumelten auf das brennende Gebäude zu, schwarz und zuckend in ihrer Panik, während andere davor wegliefen, als wäre ihnen ein Rudel Wölfe auf den Fersen. Alexej ließ den Motor des NAMI -1 an und fuhr in vollem Tempo auf den Hangar zu. Zum Teufel mit denjenigen, die sich ihm in den Weg stellten. Die Hitze traf ihn bereits aus zwanzig Metern Entfernung, so hart, als wäre er gegen eine Wand gefahren.
Er sah sie kommen. Chang und Popkow. Wie sie seitlich aus dem Hangar traten, von dem die Hälfte weggerissen war. Was, zum Teufel, machten sie hier? War Popkow denn nicht verletzt? Dann sah er etwas über Changs Rücken liegen und merkte mit Entsetzen, dass es Lydia war. Eine weitere Gestalt mit weißem Haar lag über der Schulter des Kosaken. Das konnte nur Jens sein. Er riss das Steuer des Wagens herum und steuerte ihn direkt auf die rußgeschwärzten Gestalten zu, die nun im rötlichen Widerschein der Flammen voll sichtbar wurden, doch hinterher würde sich Alexej nicht mehr erinnern können, was zuerst kam: der Schuss oder die Explosion. Sie schienen im selben Moment zu passieren, nur in seinem Gedächtnis würde immer der Schuss bleiben, der scharfe Knall eines Gewehrschusses, der ohne Ende in ihm widerhallte.
Sie waren noch mehr als fünf Meter von ihm weg. Deutlich erkennbar und ohne jede Deckung. Der Schuss kam von der Seite, von einem Soldaten, dem so viel Adrenalin durch die Adern floss, dass er das Gewehr nicht ruhig halten konnte. Er hatte auf Chang gezielt, der einige Meter vor Popkow lief, doch getroffen hatte er Lydia. Alexej sah, wie ein Zucken durch den Körper auf Changs Rücken ging und wie er schlaff wurde. Ihre Hände baumelten leblos herunter, während Chang loslief.
Alexej blieb das Herz stehen. Erst in diesem Moment hörte er das andere Geräusch, ein dumpfes Dröhnen, das in seinem Kopf widerhallte wie Donnergrollen. Stinkende Dämpfe brannten in seiner Nase, und ein Teil seines Bewusstseins erkannte, was das war – ein Kerosinfass war explodiert. Doch das Einzige, was seine Augen wahrnahmen, war die Wand, die Art, wie sie sich bewegte. Was von der Seite des Hangars übrig geblieben war, mitsamt seinen schweren Stützbalken aus Holz und dem Dielenboden, die lichterloh brannten, wurde durch eine gewaltige Detonation von dem Gebäude weggeschleudert. Eine Sekunde lang schien die Mauer in der Luft zu hängen, als wollte sie sich ihre Opfer suchen, dann stürzte sie direkt auf Chang und Popkow zu.
Alexej drückte aufs Gaspedal. Mit einem letzten gewaltigen Satz wurde der Wagen nach vorne geschleudert, und Chang warf Lydia hinein und stieg selbst auf den Beifahrersitz, während die Mauer zusammenbrach. Die Windschutzscheibe zersprang in tausend Scherben. Ein lodernder Balken bohrte sich durch das Leinwandverdeck des Wagens und blieb auf dem leeren Rücksitz liegen. Funken und brennender Unrat regneten auf die Kühlerhaube nieder.
»Jens!«, rief Alexej.
Neben ihm auf dem Beifahrersitz murmelte Chang, der Lydia an sich drückte, als würde er sie sein Lebtag lang nicht mehr loslassen: »Popkow.«
Alexej sprang aus dem NAMI -1 und fand beide. Popkow lag halb verdeckt unter der Achse des Wagens, wohin er durch die Wucht der Explosion geschleudert worden war. Die Karosserie hatte ihn geschützt, nur hinten an seinem Bein war eine lange Platzwunde. Mitten in den Flammen entdeckte Alexej jetzt auch Jens. Sein Kopf war halb abgetrennt, seine Brust, Arme und Beine unter einer brennenden Holzmasse begraben. Abermals bohrte sich eine Gewehrkugel seitlich in den Wagen, Stimmen riefen, doch Alexej konnte sich nicht bewegen. Er schaute auf das entstellte Gesicht seines toten Vaters hinab und war nicht in der Lage, sich zu rühren. Nicht so. Lass es nicht so enden, Papa. Er hörte nicht einmal das Pfeifen der Kugel, die haarscharf an seinem Ohr vorbeiflog.
Es war Popkow, der ihn dazu brachte, sich zu bewegen. Der ihn buchstäblich am Schlafittchen packte, ihn auf den Fahrersitz hievte und den glühenden Balken vom
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