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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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ganze Angst, ihr Bangen und Zittern fielen von ihr ab. Das war es. Ihr Vater war hier.
    »Lydia.« Das kam von unten. So leise, dass der Name kaum zu hören war.
    Langsam kam der Suchscheinwerfer wieder näher. Der Wind war beißend kalt. Fast lautlos glitt Lydia an dem Seil herunter und kauerte sich neben Chang auf den schneebestäubten Boden. Er nahm ihre Hand, und gemeinsam liefen sie los.
    Die Aufregung auf dem Gelände war immer noch groß. Überall dröhnten Motoren und schrien Soldaten, Stiefel trappelten über den gefrorenen Boden, Bluthunde tobten an ihren Leinen, weil sie Witterung aufgenommen hatten. Alles machte sich dafür bereit, in den schwarzen Wald hinauszugehen, doch niemand rechnete damit, dass jemand den umgekehrten Weg genommen hatte und in das Gelände eingedrungen war. Chang huschte an dem kleinen Hangar entlang, der hinten in tiefem Schatten lag, und hatte auf einmal das Gefühl, Lydia könnte hier in Sicherheit sein, während er auf Erkundung ging. In Sicherheit? Nein, das nicht. Aber weniger in Gefahr.
    Er flüsterte ihr ins Ohr: »Warte hier«, und zeigte auf die Stelle, wo sie gerade stand.
    Sie nickte und fügte sich. Sie machte es ihm leicht. Er glitt an der Längsseite des kleinen Hangars entlang, bis er das massive Holzgebäude daneben erreicht hatte, doch hier konnte ihn jeder sehen. Es war taghell erleuchtet. Er ging tief in die Hocke und lief auf eine schmale Tür weiter vorne zu, die offen war. Davor stand ein Mann, in Schwarz gekleidet, hager und wölfisch in seiner ganzen Haltung. Er hatte Chang, der sich näherte, den Rücken zugekehrt, hielt eine brennende Zigarette in den Händen und beobachtete zwei Hundeführer, die auf der anderen Seite des Hofes ihren Hunden den Befehl gaben, auf die Ladefläche eines Lastwagens zu springen, doch einer der Hunde schnappte dabei immer wieder den anderen in die Hinterläufe. Chang lief rasch weiter.
    Zwei Meter lagen noch zwischen ihnen, als der Mann etwas merkte und sich umdrehte. Ihre Blicke begegneten sich. Der Mann trug eine Brille, und die Brillengläser ließen seine Erschrockenheit noch deutlicher erkennen, aber sogar in seiner Überraschung reagierte er prompt. Seine Hand fuhr blitzschnell zu dem Revolver in seinem Hüfthalfter, doch es war zu spät. Chang war durch die Luft gesprungen und hatte ihn mit einem kraftvollen Fußtritt an der Kehle getroffen. Der Mann griff sich an den Kragen, seine Knie gaben nach, und bevor er ganz zu Boden ging, traf ihn ein zweiter Tritt in die Brust, brach ihm drei Rippen und brachte sein Herz zum Stillstand.
    Der Körper des Mannes war schwerer, als er aussah. Chang nutzte das allgemeine Durcheinander und zog den Toten hastig durch die Tür nach drinnen und versteckte ihn hinter einer Lattenkiste. Staunend schaute er zu dem gewaltigen silbernen Leviathan empor, der ganz unbeteiligt über ihm an der Decke schwebte, an einem metallenen Mast befestigt, und lief dann rasch den gleichen Weg wieder zurück.
    Lydia stand nach wie vor an der vereinbarten Stelle, doch sie presste das Ohr an die Wand des kleinen Hangars. Das Weiß ihrer Augäpfel war riesig in dem schummrigen Licht.
    »Hör mal«, drängte sie ihn.
    Er lauschte. Ein leises Rauschen drang durch die Bretterwand.
    »Feuer«, sagte sie erschrocken.
    Damit hatte Jens nicht gerechnet. Mit diesem sengenden Gefühl des Bedauerns in seiner Brust. Er war über die lange Leiter in die Gondel hinaufgeklettert, die unter dem Bauch des Luftschiffs hing, und allein schon der Geruch nach frischem Lack und dieser Hauch Einsamkeit, der darin mitschwang, ließ ihn zögern. Hier oben, das war eine ganz eigene Welt. Eine Welt, in der andere Dinge zählten.
    Die Gondel war mit mehreren Mahagonitischen bestückt, die in der Nähe der Fenster zu beiden Seiten am Boden befestigt waren. Ganz vorne lag die kleine Führergondel des Luftschiffes, doch Jens widerstand dem Impuls, sich ein letztes Mal hineinzusetzen. Stattdessen rief er sich all die hohen Militärs ins Gedächtnis, die in ein paar Tagen an genau diesen Tischen sitzen und Champagner schlürfen würden, während sie dabei zusahen, wie sich das erste der beiden Flugzeuge unter dem Bug löste und dann das andere unter dem Heck. Die Gaskanister würden randvoll mit ihrer tödlichen Ladung sein und das Lager Surkow in Sichtweite. Hunderte von Mitgefangenen würden elend ersticken, und das alles seinetwegen.
    Er löste die Klappe am Bauch des Luftschiffes, öffnete sie, ließ die Klapptreppe herunter und stieg in

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