Die Sehnsucht der Konkubine
was sie sagen sollte. Dmitri schien sich vollkommen wohlzufühlen und sich weder über den Regen noch über das Schweigen zwischen ihnen Gedanken zu machen. Nur der intensive Blick in seinen Augen deutete darauf hin, dass er etwas im Schilde führte.
»Nun, dann also zurück in mein Büro.«
Sie war vorsichtig. »Wird dein Kontaktmann denn zurückrufen?«
»Ich will es ihm geraten haben.« Dmitri lachte.
»Weiß er etwas über die Kommunistische Partei Chinas?«
»Das ist seine Aufgabe.«
»Na gut. Dann komme ich in deinem Büro vorbei, wenn ich darf.«
»Wäre mir eine Ehre, Genossin.«
Er machte sich über sie lustig, doch das störte sie nicht, obwohl er in diesem Moment eine Persianermütze trug, die sein rotes Haar verdeckte, wodurch es ihr schwerer fiel, ihm zu vertrauen. Schließlich stellte das rote Haar auf seltsame Weise eine Verbindung zwischen ihnen her.
»Und der andere Mann, nach dem ich dich gefragt habe?«, rief sie ihm ins Gedächtnis.
»Ach, das ist eine ganz andere Geschichte. Viel schwerer. Du musst begreifen, dass solche Informationen einfach nicht … nicht zu haben sind. Nicht einmal für Leute wie mich«, fügte er hinzu.
»Natürlich. Aber du wirst dich erkundigen? Bitte!«
»Ja.« Weiter sagte er nichts.
»Danke.«
In diesem Moment fuhr seine schwarze Limousine am Bordstein vor. Die Tür öffnete sich, und sie stieg hinten ein, endlich ins Trockene. Malofejew beugte sich ins Wageninnere, und sie merkte, dass sein Gesicht leicht gerötet war. »Einen Moment noch«, sagte er. »Ich möchte eine Zeitung kaufen.«
Sie sah, wie er sich einem Zeitungskiosk näherte, neben dem ein Schuhputzerjunge nach Kundschaft Ausschau hielt. Malofejew sagte ein paar knappe Worte und kehrte mit einer Ausgabe der Rabotschaja Moskwa, der lokalen Zeitung Moskaus, unter dem Arm zurück. Er nahm schwungvoll neben ihr auf dem Rücksitz Platz, schüttelte sich wie ein nasser Hund und warf den Schirm auf den Boden.
»Ist kalt hier drin«, sagte er, zog neben sich eine Pelzdecke hervor und breitete sie über ihre und die eigenen Knie, während der Wagen in den Verkehr einscherte. »Besser?«
»Spassibo.« Sie steckte die Hände in die warmen Falten der Decke.
Malofejew beugte sich zu dem Fahrer vor, der schweigend in Mütze und Uniform dasaß. »Zu meinem Büro, Genosse.«
Dann ließ er sich genüsslich in die Polster sinken und warf Lydia einen prüfenden Blick von der Seite zu, als hätte sie sich in den letzten Minuten verwandelt.
»Gefällt dir Moskau?«
Seine Frage kam unerwartet. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie starrte weiter auf die hohen, pastellfarben gestrichenen Gebäude der Uliza Twerskaja hinaus, wo in einem berühmten Feinkostladen verführerische Lebensmittel zur Schau gestellt wurden, während die Läden in den kleinen Seitenstraßen, wo die Kinder Schlitten fuhren, trostlos und leer waren. Elegante Wohnhäuser wechselten sich mit heruntergekommenen kommunalkas ab. Moskau schien aus verschiedenen Siedlungen zu bestehen, zwischen denen Welten lagen, obwohl sie aneinandergrenzten; hier ließ es sich die Elite gut gehen, dort hungerten die Armen; hier gab man für das Proletariat Lebensmittelkarten aus, dort speisten Männer wie Malofejew in eleganten Restaurants und Grandhotels.
»Ja«, sagte sie. »Moskau gefällt mir sehr gut.«
»Das freut mich. Eines Tages wird Moskau allen anderen Städten auf der Welt den Rang ablaufen. Die doma komuny, die riesigen Bauten des kommunalen Wohnungsbaus, werden den Leuten beibringen, wie sie ihr Leben in der Gemeinschaft leben sollen, und Moskau wird das Symbol zukünftiger sozialistischer Gemeinschaften sein.«
»Wirklich?«
»Ja. Das verspreche ich dir. Also sag mir doch jetzt, warum dir diese Stadt gefällt.«
»Ich liebe ihre Energie. Sie ist unvorhersehbar. Ich mag all die neuen, monumentalen Gebäude und« – Lydia lächelte, als der Wagen an einer chinesischen Wäscherei vorbeifuhr, die auf ihrem Schild mit der Abbildung eines blütenweißen Hemdes warb und vor der zwei chinesische Frauen mit breiten Gesichtern und glatter Haut auf der Treppe saßen und plauderten – »ich mag seine Trambahnen.«
Er lachte und schlug die Zeitung auf. Es gefiel ihr, wie er seiner Lektüre vollste Konzentration schenkte, weil es bedeutete, dass sie eine Weile ihren Gedanken nachhängen konnte, während er die Rabotschaja las. Und so kam es, dass sie es fast nicht gemerkt hätte: wie er plötzlich den Atem anhielt. Sie wandte sich ihm zu
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