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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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fern.
    Nahe beieinander gingen
sie, Bernina manchmal einen kurzen Schritt voraus, da sie die Gegend noch
besser kannte als Anselmo. Gemeinsam schoben sie sich aus dem Wald ins Freie,
und die Sicht, noch erschwert durch die knisternde Nachtschwärze, wurde frei
auf die Häuser, in deren Hintergrund sich der Weidenberg erhob. Ein eigenartig
ergreifendes Gefühl beschlich Bernina bei diesem Anblick. Teichdorf. Von der
Welt eigentlich nicht beachtet und doch immer wieder von den Schrecken der Zeit
ebenso heimgesucht wie die großen Städte. Der Krieg wühlte sich in den letzten
Winkel, der Krieg und die Männer, die er hervorbrachte. Männer wie jene, die
die roten Umhänge mit der Rose trugen.
    Die Gebäude waren
dunkel, ein Geisterdorf schien sich vor ihnen auszubreiten, kein Fenster
erleuchtet. Bis auf ein einziges. Das große Fenster unter der Giebelspitze des
Gasthauses. Nur dahinter schimmerte Kerzenlicht. Als würden wir erwartet,
dachte Bernina erschauernd. Langsamer als zuvor gingen sie weiter.
    »Anscheinend haben sie
keine Wachen aufgestellt.« Berninas Stimme klang in der Stille ringsum
verloren. »Und das, obwohl die Armeen wieder so umtriebig sind.«
    Anselmo deutete zu einem
Gebäude am westlichen Ortsausgang, gleich darauf zu einem Schuppen, der sich am
Nordende befand. Das Nichts des Dunkels verschleierte die Umrisse. Berninas
Augen wurden zu Schlitzen. Erst jetzt nahm sie die Schemen einiger Männer wahr.
    »Unglaublich, was du
alles zu entdecken vermagst, Anselmo.«
    »Wir müssen vorsichtig
sein.«
    Schritt für Schritt
näherten sie sich dem Ort, geduckt, immer wieder einen Blick über die Schultern
werfend. Ein Windstoß begleitete sie, als sie zu den ersten Häusern gelangten.
Stille, nur ihr Atmen war zu hören. An die Wand einer Scheune gelehnt, hielten
sie inne. Keine der Wachen zu sehen, überhaupt niemand. Sie folgten einer
schmalen Gasse, die zwischen einer Bäckerei und Wohnhäusern hindurchführte.
    In die Ruhe mischten
sich Laute, eine Melodie, irgendwie kratzend und einschmeichelnd in einem.
Leise ließ sie sich von einer weiteren Windböe durch Teichdorf tragen. Bernina
spürte eine Gänsehaut auf ihren Armen.
    »Ich will ihn sehen«,
sagte Anselmo, im genau gleichen Tonfall wie am Tag zuvor. »Ich will ihm in die
Augen sehen.«
    An der Ecke eines
Fachwerkhauses stoppten sie erneut. Die Geige schwieg bereits wieder. Und im
nächsten Augenblick zerfetzten Hufgetrappel und aufgeregte Rufe die unheimliche
Stille. Eine Gruppe Reiter galoppierte die Hauptstraße entlang, während weitere
Männer aus dem Gasthaus stürmten. Die Reiter zügelten ihre Pferde, sofort
entbrannten hitzige Diskussionen. Spanische Stimmen dröhnten in der Nacht.
    »Worum
geht es?«, fragte Bernina flüsternd. Ihre Hand hatte Anselmos Arm gesucht. Nur
etwa 20 Meter trennten sie von den Männern, deren rote Umhänge die einzigen
Farbpunkte im Dunkel zu sein schienen.
    »Eine
Meinungsverschiedenheit. Einige sind dafür, Hals über Kopf das Weite zu suchen.
Andere möchten lieber im Ort bleiben, um sich zu verschanzen.« Kurz drückte er
ihre Hand. »Ihre Spähreiter haben französische Soldaten gesehen, die sich auf
Teichdorf zubewegen. D’Orvilles Männer haben schon mehrere Dörfer überfallen.
Jetzt, da Gefahr nahen könnte, würden sie sich am liebsten sofort aus dem Staub
machen. Genauso habe ich sie eingeschätzt.«
    »Wo
ist ihr Anführer? Warum lässt er sich nicht sehen?«
    »Sie
meinen offenbar, dass er es nicht schaffen würde, Teichdorf rechtzeitig zu
verlassen. Er ist verletzt oder krank, jedenfalls behindert ihn etwas.«
    »Bei
seiner Ankunft wurde er in einer Sänfte getragen.«
    »Stimmt. Das haben die
Leute im Dorf erzählt. Und danach hat er sich ja nicht mehr gezeigt.« Er
blickte auf. »Sieh nur!«
    Einer der Männer ließ
sein Pferd aufbäumen, dann preschte er davon, gefolgt von mehreren anderen.
Noch mehr der Spanier tauchten auf. Sie rannten zu dem Stall hinter dem
Gasthof, um ihre Pferde zu holen und dem ersten Reiter zu folgen.
    »Das sind die, die
lieber Fersengeld geben«, flüsterte Anselmo.
    »Und der Rest wird die
Stellung halten.«
    »Die
Soldaten scheinen schon ziemlich nah zu sein – wenn man bedenkt, wie schnell
das auf einmal alles ging.«
    »Ja, offenbar der
schlechteste Moment für eine Heimkehr«, erwiderte Bernina ironisch.
    Anselmo lächelte sie an.
Sein Gesicht war ganz nah an ihrem. »Ich hätte allein hierher kommen müssen.
Niemals hätte ich dich mitnehmen dürfen.«
    »Du

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