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Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Titel: Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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Schultern abzuschütteln, und dann stieß er die Faust in Emilians Rücken und brach ihm mit einem lauten Knacken die Wirbelsäule. Der Freund von einst schrie auf und ließ ihn los, worauf Traian auf die Lichtung sprang und den Blitz herunterrief. Der gleißend helle Strahl traf mit tödlicher Zielgenauigkeit das verschrumpelte schwarze Herz. Emilian verkrampfte sich, sein Mund klaffte auf, und Schwärme von Maden strömten heraus, um den sterbenden Körper zu verlassen. Der Blitzstrahl sprang von der Erde zum Himmel und wieder zurück, und diesmal verbrannte er auch den Körper, bis nur noch Asche davon übrig blieb, die vom Wind davongetragen wurde.
    Der zweite noch relativ unerfahrene Vampir griff mit blitzartigem Tempo an, stürmte auf Traian zu und verwandelte sich im letzten Moment in einen riesigen Vogel mit keilförmigem Kopf und einem krummen, scharfen Schnabel. Seine Krallen waren so groß wie die eines Grizzlybären. Traian schaffte es gerade noch, sich zu ducken, um dem Vogel auszuweichen, trug aber dennoch einen rasiermesserscharfen Schnitt an Rücken und Schulter davon, als das Untier an ihm vorbeischoss.
    Der Boden schwankte und brachte Traian aus dem Gleichgewicht, was ein sicheres Anzeichen dafür war, dass der Meister seine Marionette aus einiger Entfernung unterstützte. Traian musste also schnell die Oberhand gewinnen, oder der Meister würde hinzukommen, um ihn zu töten. Er verlor Blut, und genau das war der Zweck der Angriffe der unerfahreneren Vampire – ihn möglichst stark zu schwächen. Kein Meistervampir würde sein Leben riskieren, solange er seinem Gegner gegenüber nicht im Vorteil war. Dazu bedienten Meistervampire sich der jüngeren Untoten, und falls sie keine solchen Marionetten zur Verfügung hatten, gingen sie den Jägern in der Regel aus dem Weg.
    In einem weiten Kreis um Traian herum bebte und schwankte der Boden, und immer wieder neue Geysire aus Gestein und Erde brachen aus. Aus dem herabregnenden Geröll trat ein Vampir nach dem anderen hervor, die Traian aus hasserfüllten, rot glühenden Augen anstarrten, schnuppernd die Köpfe hoben, als sie das Blut aus seinen Wunden rochen, und die schmalen Lippen zurückzogen, um fleckige, schwarz verfärbte Zähne zu entblößen.
    »Schließ dich uns an!«, flüsterten sie mit ausgestreckten Händen.
    Stampfende Füße schlugen einen eigenartigen Rhythmus an, der in Traians Kopf widerhallte wie das Tropfen des Wassers in der Höhle und das Knacken der Äste. Es war ein hypnotisierendes, fesselndes Geräusch, dessen Bedeutung ihm verborgen blieb. Die Vampire wiegten sich im Takt dieser seltsamen Musik und wurden zu verschwommenen Bildern, von denen Traian nur noch die rot glühenden Augen sehen konnte, während die schaurigen Gestalten sich in perfektem Einklang miteinander hin und her bewegten.
    »Schließ dich uns an!« Diesmal war die Bitte lauter, fordernder und ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. »Schließ dich uns an! Schließ dich uns an …« Die Worte wurden zu einem Gesang, der durch den Wald schallte und von den aufgewühlten Wolken zu dem schwankenden Erdboden zurückgeworfen wurde.
    Traian schüttelte den Kopf, um das schreckliche Gesumme aus seinem Bewusstsein zu verbannen. Aber der lockende Refrain durchzog seinen Geist, und sein Blut schien darauf zu reagieren und sich den Rufern zuzuwenden. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr, und sein Verstand füllte die Lücken aus. Dieser Meister, der stark genug war, einen anderen mächtigen Meistervampir zu beherrschen, hatte sein Blut genommen! Durch ihre Blutsverbindung konnte er in sein Bewusstsein eindringen und seine Handlungen beeinflussen, ihn nach Belieben aufspüren und dazu anstiften, diesen letzten Schritt zu tun und seine Ehre aufzugeben.
    Traian zwang sich zu einem Lachen. »Du denkst, du könntest mich in die Falle locken wie eine deiner Marionetten? Ich bin ein Jäger mit jahrhundertelanger Erfahrung.«
    »Schließ dich mir an, oder stirb einen grässlichen Tod, während ich deiner Seelengefährtin bei lebendigem Leib das Fleisch abreißen und es meinen Hunden zum Fraß vorwerfen werde«, höhnte die Stimme aus der Sicherheit eines günstigen Blickwinkels in der Nähe. Aber die Stimme hatte auch einen leicht gereizten Beiklang, weil der Meister offenbar bemerkte, dass Traian längst nicht so weit unter seinem Bann stand, wie er es gehofft hatte. Sein Selbstvertrauen war leicht erschüttert.
    »Du hast genug Hunde, die deine Befehle ausführen. Doch egal,

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