Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
der Eisrutsche war es kalt nach der unerwarteten Hitze, die Traian in der Höhle erzeugt hatte. Während Joie in die frostige Welt aus blauem Eiskristall hinunterglitt, musste sie sich eingestehen, dass er recht hatte. Bei der bloßen Erwähnung von Vampiren hätte sie sich wahrscheinlich tatsächlich in eine Nervenklinik einweisen lassen. Als das Eis beängstigend steil abzufallen begann, erhöhte sich ihr Tempo – und ihr Herzschlag beschleunigte sich in direktem Verhältnis zu der Geschwindigkeit, die sie gewann.
Vielleicht tue ich es ja doch noch , murmelte sie in Gedanken und versuchte, sich trotz ihrer nicht nachlassenden Furcht zu konzentrieren. Fast ohne etwas sehen zu können, rutschte sie eine schmale Röhre hinunter und folgte einem Mann, den sie nicht kannte und der nicht einmal menschlich war. Es ist definitiv nicht normal, einen Freund mit einem Beißfetisch zu haben.
Traian hörte aufrichtige Furcht in ihrer Stimme. Ihn in dieser grässlichen Lage in der Eishöhle vorzufinden, gegen solch üble Kreaturen wie Vampire um ihr Leben kämpfen zu müssen und zu wissen, dass er Blut zum Leben brauchte, hatte Joies Selbstvertrauen erschüttert. Und ohne es zu wissen, war sie auch noch in der Verbindung zweier Seelengefährten verstrickt.
Gabrielle ist dicht hinter mir , informierte sie ihn.
Joie schien den Tränen nahe zu sein. Sie machte sich Vorwürfe, ihren Bruder und ihre Schwester in eine solch gefährliche Zwangslage gebracht zu haben. Das konntest du ja nicht wissen , sagte er tröstend.
Sie versuchte nicht einmal, so zu tun, als hätte sie ihn missverstanden. Sie dürften nicht hier sein. Besonders Gabby nicht. Jubal ist auch schon in der Röhre, und es ist gar nicht leicht, die Geschwindigkeit zu kontrollieren.
Und da sah Traian auch schon das erste Anzeichen von Gefahr. Winzige Eiskugeln hingen an den Seiten der Röhre, und an der Decke hatten sich scharfe kleine Eiszapfen gebildet, die immer größer wurden, je tiefer er in den Abgrund hinunterglitt. Sofort übermittelte er im Geiste Joie den Anblick, weil er wusste, dass sie das Bild an ihre Geschwister weitergeben würde und alle drei versuchen würden, ihr Tempo zu verringern.
Er spürte den ersten Buckel mehr, als er ihn sah, als das Eis unter ihm plötzlich so etwas wie Höcker hatte. Fluchend setzte er noch mehr Energie ein, um den Weg vor ihnen zu glätten. Traian konnte die Furcht spüren, die von den anderen drei ausging, besonders von Joies Schwester. Ihr Durchhaltevermögen hing nur noch an einem seidenen Faden. Die Intensität dieses Gefühls wurde zusätzlich verstärkt von dem Wissen um die Vampire und die Magierhöhlen. Er konnte jetzt jedoch nicht seine Kraft darauf verschwenden, die Geschwister gegen die verstörenden Empfindungen abzuschirmen.
Etwa drei Meter weiter sah er das große Hindernis, das den Weg blockierte. Eine dicke, solide Eiskugel verschloss die Bahn. Traian spürte Joies sofortige Aufmerksamkeit. Sie wich nicht aus seinem Bewusstsein und klammerte sich an die vermeintliche Zuversicht, die er sie spüren ließ.
Bei »drei«, halten wir an , warnte Joie ihre Geschwister.
Gabrielles erschrockener Ausruf schallte durch die Röhre, und für einen Moment geriet sogar Traians Herz ins Stocken. Wenn die Frau ihre Fahrt nicht bremsen konnte, würde sie mit Joies Kopf zusammenprallen. Er musste sich darauf konzentrieren, den riesigen Eisblock, der ihnen den Weg versperrte, zu entfernen, und es lagen bestimmt noch mehr davon vor ihnen.
Eins. Zwei. Drei.
Traian spürte den Energieschub in der Röhre, als die drei Kletterer ihre Spikes ins Eis schlugen, sich herumrollten und mit ihren Armen den abrupten Stoß abfingen. Joies schmerzerfüllten Aufschrei hörte Traian nur in seinem Kopf, aber der Stoß fuhr durch ihn hindurch, als erlebte er ihn selbst. Gabrielle schluchzte leise auf.
Ich rutsche, Joie.
Wir sind okay , beruhigte ihre Schwester sie. Beeil dich, Traian!
Die drei hatten sich entschlossen, ihr Schicksal in seine Hand zu legen, und sie verließen sich auf seine Fähigkeiten in einer Situation, die ihr Begriffsvermögen überstieg. Während er Energie bündelte, dachte er über den besten Weg nach, die Eiskugel aufzulösen. Hitze könnte noch mehr Probleme verursachen. Sie zu sprengen auch.
Joie? Es sind Haltegriffe in der Bahn , sagte Jubal. Sie ist nicht auf natürlichem Weg entstanden.
Nein. Sie ist das Werk eines Magiers, informierte Traian die anderen, bevor er vorsichtig einen Strahl aus großer
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