Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)

Hitze auf den mittleren Teil der Kugel blies. Er achtete sehr sorgfältig darauf, den Strahl wie einen Laser auf einem bestimmten Punkt zu halten, weil er nicht riskieren konnte, auch die Seiten oder die Decke des Tunnels zu zerschmelzen.
    Ich kann mich nicht mehr halten , sagte Gabrielle mit angsterfüllter Stimme zu ihren Geschwistern.
    Ich höre etwas in der Röhre. Das war Jubal, und er klang verblüffend ruhig.
    Traian verdoppelte seine Bemühungen und achtete nicht mehr darauf, ob etwas von der Hitze eine andere Stelle traf, sondern blies unablässig weiter, während er sich der Blockade näherte. Die Eiskugel zerschmolz zu einer Pfütze und lief vor ihm den Hang hinunter.
    Kommt weiter, aber gebt euch wirklich alle Mühe, eure Geschwindigkeit zu kontrollieren!
    Es würde schwer sein für die drei, sich umzudrehen und ihre vorherige Haltung wieder einzunehmen, ohne auf dem steilen Abhang die Kontrolle zu verlieren. Jubal traute Traian das Kunststück zu, weil er ein starker Mann war. Joie würde es vielleicht auch schaffen, doch Gabrielle war dazu nicht erfahren genug. Deshalb holte er tief Luft und sandte ihr Kraft, obwohl er wusste, dass er allmählich zu schwach wurde, um alles um ihn herum unter Kontrolle zu halten. Traian sorgte dafür, dass die Decke der Röhre so glatt wie möglich war, als er weiterrutschte, damit nur ja keiner verletzt wurde. Gleichzeitig räumte er vor sich fortwährend den Tunnel.
    Grillen! Tausende von Grillen krabbeln auf mir herum!
    Wieder war Traian erstaunt über die Gelassenheit in Jubals Stimme. Im Dunkeln von Schwärmen von Insekten überfallen zu werden war eine unheimliche, beängstigende Erfahrung, und das war noch gelinde ausgedrückt. Es überraschte Traian daher nicht, dass Gabrielle in Tränen ausbrach.
    Schließ die Augen! , riet ihr Jubal. Atme flach und durch die Nase! Sie bewegen sich schnell und versuchen ebenso wie wir, hier herauszukommen. Ich glaube, sie wollen uns etwas sagen.
    Traian wusste, dass diese letzte Bemerkung für ihn bestimmt war. Sie verständigten sich durch seine starke Verbindung mit Joie, aber Jubal musste über eine ziemlich große übersinnliche Wahrnehmung verfügen, um ihn in Joies Geist zu spüren.
    Traian merkte es sofort, als die Grillen Joie erreichten. Alles in ihr erstarrte, rebellierte und schrie im Stillen auf, als die Insekten sich über sie ergossen in ihrem verzweifelten Bemühen, den bösartigen Verfolgern hinter ihnen zu entkommen. Tausende von Beinchen, die in panischer Flucht über das Eis und über die Menschen eilten, verursachten in der Stille ein lautes kratzendes Geräusch.
    Beeilt euch! Ich bin draußen. Macht euch keine Sorgen, wie schnell ihr rutscht, ich kann euch hier unten auffangen. Ich muss die Röhre hinter euch verschließen, damit die Vampire nicht hereinkönnen.
    Die Grillen erreichten Traian, kaum dass seine Füße den Boden berührten, und überrannten ihn förmlich, um dem drohenden Bösen zu entkommen. Er sprang aus der Eisröhre heraus und drehte sich um, um Joie in seinen Armen aufzufangen und sie aus dem Weg zu schieben, damit er Gabrielle stoppen konnte. Sie war kreidebleich und zitterte unkontrolliert, und als er sie neben der Röhre absetzte, schwankte sie, hielt sich jedoch auf den Beinen. Joie legte schnell einen Arm um ihre Schwester und stützte sie, während Traian alle Kraft zusammennahm, um Jubal aus der Rinne herauszuhelfen.
    Haltet euch bereit! Sowie er draußen ist, muss ich die Eisröhre blockieren. Und dann werden wir rennen müssen. Haltet euch links. Immer links. Rechts geht es noch tiefer in den Berg hinein.
    »Wir werden uns nicht trennen«, sagte Joie entschieden.
    Ihre Stimme war fast ein Schock nach der Intimität ihres geistigen Kontakts. Traian wappnete sich für Jubal. Der Mann war groß, doch er war auch sehr stark und schaffte den Abstieg zum Glück viel besser als die beiden Frauen. Traian schickte ihm ein Luftkissen, um ihn noch mehr zu verlangsamen, und als er mit den Füßen voran aus der Rinne schoss, packte Traian ihn unter Verwendung übernatürlicher Kraft.
    Dann winkte er alle von dem Eistunnel zurück und taumelte ein wenig von der Anstrengung, wieder neue Energie zu sammeln. Die anderen konnten die sich bündelnde Macht und Hitze spüren. Joie trat dicht an Traian heran und schlang einen Arm um seine Taille.
    »Ich kann dir helfen. Nimm dir Kraft von mir.«
    »Und von mir«, sagte Jubal und legte eine Hand auf Traians Schulter.
    Gabrielle trat hinter ihren Bruder