Die Sehnsucht der Pianistin
aber, dass ich versuchen werde, deine Meinung zu ändern.“
„Du bist nach wie vor ein selbstgefälliger Macho, Brady.“
„Und du beschimpfst mich immer noch gerade dann, wenn du weißt, dass ich recht habe.“ Er küsste sie kurz und hart auf den Mund. „Ich begehre dich noch immer, Vanessa, und ich schwöre dir, diesmal kriege ich dich.“
In seinen Augen erkannte sie, dass er die Wahrheit sagte, und riss sich los. Auch sie spürte es ja. „Geh zum Teufel!“
Sie drehte sich rasch um und rannte die Treppe hinunter.
Vom Fenster aus sah er, wie sie über die Brücke zu ihrem Wagen lief. Selbst auf die Entfernung hörte er, mit welcher Wucht sie die Autotür zuschlug. Er musste grinsen. Sie war schon immer sehr temperamentvoll gewesen, und er war froh, dass sich daran nichts geändert hatte.
4. KAPITEL
V anessa hieb auf die Tasten ein. Sie spielte Tschaikowsky, das erste Klavierkonzert. Ihre Interpretation des romantischen Themas war heftig und leidenschaftlich. Sie spielte absichtlich mit dieser Heftigkeit, wie um sich von einem inneren Druck zu befreien.
Er hatte kein Recht, alles wieder aufzurühren und sie zu zwingen, sich Gefühlen zu stellen, die sie vergessen wollte. Gefühle, die sie vergessen hatte. Im Gegenteil, er hatte ihr bewiesen, dass sie jetzt als Frau diese Gefühle noch viel tiefer und intensiver empfand.
Er bedeutete ihr doch gar nichts. Er war für sie nicht mehr als ein alter Bekannter, ein Freund aus Kindertagen. Er sollte sie nicht noch einmal verletzen. Nie, nie wieder würde sie einem Menschen gestatten, so viel Macht über sie zu haben, wie Brady einst gehabt hatte.
Das Gefühl würde vorbeigehen, weil sie es so wollte. Wenn es eins gab, das sie in all den Jahren harter Arbeit gelernt hatte, dann, dass sie für ihre Gefühle ganz allein verantwortlich war.
Sie hörte zu spielen auf und ließ die Hände auf die Tasten sinken. Die Musik hatte sie zwar nicht froh machen können, aber zumindest hatte sie ihren ganzen Frust abgeladen.
„Vanessa? Geht’s dir gut?“
Sie drehte sich um und erblickte ihre Mutter an der Tür. „Ich wusste gar nicht, dass du zu Hause bist.“
„Ich kam, während du spieltest.“ Loretta trat einen Schritt ins Zimmer hinein. Sie wirkte besorgt. „Bist du in Ordnung?“
„Ja, mir geht es gut.“ Vanessa strich sich das Haar zurück. Im Gegensatz zu ihrer Mutter, die noch immer das hübsche Kleid trug, das sie am Morgen angehabt hatte, und wie aus dem Ei gepellt wirkte, fühlte sie selbst sich erhitzt, schmutzig und verletzlich. Automatisch straffte sie die Schultern. „Tut mir leid. Ich fürchte, ich habe die Zeit völlig vergessen.“
„Das macht doch nichts.“ Loretta musste sich zwingen, ihrer Tochter nicht übers Haar zu streichen. „Mrs. Driscoll war heute bei mir im Laden. Sie erwähnte, dass sie dich in Adam Tuckers Haus gehen sah.“
„Wie ich sehe, hat sie noch immer ihre scharfsichtigen Adleraugen.“
„Und eine große Nase.“ Loretta lächelte schüchtern. „Dann hast du Adam also besucht?“
„Ja.“ Vanessa drehte sich auf dem Klavierhocker um, blieb jedoch sitzen. „Er sieht fabelhaft aus, fast unverändert. Wir haben in der Küche eine Tasse Tee getrunken.“
„Freut mich, dass du ihn besucht hast. Er hat dich immer so gemocht.“
„Ich weiß.“ Sie atmete tief ein. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass ihr befreundet seid?“
Loretta zupfte verlegen an ihrer Perlenkette. „Ich wusste nicht so recht, wie ich das Gespräch darauf bringen sollte. Wie ich es dir erklären sollte. Ich dachte, du würdest vielleicht … du würdest ihn vielleicht nicht besuchen wollen, wenn du wüsstest, dass wir …“ Sie stockte, weil sie nicht wusste, wie sie sich ausdrücken sollte.
Vanessa hob die Brauen. „Vielleicht hast du gedacht, es geht mich nichts an.“
„Nein. Ach, Vanessa …“
„Na ja, eigentlich geht es mich ja wirklich nichts an.“ Vanessa zog sich wieder in ihr Schneckenhaus zurück. „Du bist schließlich schon lange von meinem Vater geschieden, und es steht dir frei, dir deinen Umgang selbst auszusuchen“, sagte sie.
Loretta versteifte sich etwas, als sie die Missbilligung in der Stimme ihrer Tochter hörte. Es gab viele Dinge, die sie bedauerte und für die sie sich schämte, aber ihre Beziehung zu Adam Tucker gehörte nicht dazu.
„Da hast du völlig recht“, sagte sie kühl. „Ich fühle mich keineswegs schuldbewusst wegen Adam. Wir sind beide freie und erwachsene Menschen.“ Sie hob das
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