Die Sehnsucht der Pianistin
sein eigenes Kind Autogramme geben sieht.“
„Das war das erste Autogramm in meiner Heimatstadt.“ Vanessa atmete tief ein. „Der Laden ist wunderschön. Du musst hart gearbeitet haben.“
„Es macht mir Spaß. Tut mir leid, dass ich heute Morgen nicht zu Hause war, aber ich erwartete eine Lieferung.“
„Ist schon okay.“
Loretta nahm ein Staubtuch in die Hand, legte es dann jedoch wieder weg. „Möchtest du den Rest des Ladens sehen?“
„Ja, sehr gern.“
Loretta ging in den angrenzenden Raum voran. „Dies ist die Garnitur, die dein Bewunderer gekauft hat.“ Sie ließ die Fingerspitzen über den schimmernden Mahagonitisch gleiten. „Es ist ein Ausziehtisch, an dem zwölf Personen bequem Platz finden. An den Stühlen sind herrliche Schnitzereien. Das Büffet und die Anrichte gehören auch dazu.“
„Wirklich sehr schön.“
„Ich habe die Garnitur vor ein paar Monaten auf einer Auktion gekauft. Sie war über hundert Jahre in der Familie. Eigentlich traurig.“ Sie berührte einen Knauf an der Anrichte. „Darum bin ich auch so froh, wenn ich so etwas an Leute verkaufe, die ein Gefühl dafür haben.“
Sie ging zu einer geschnitzten Glasvitrine und öffnete die Tür. „Dieses blaue Glas fand ich auf einem Flohmarkt und das weinrote da auf einer Auktion. Ich habe zu viel dafür bezahlt, aber ich konnte einfach nicht widerstehen. Diese Salzstreuer kommen aus Frankreich, und ich werde wohl auf einen Sammler warten müssen, um sie an den Mann zu bringen.“
„Wieso weißt du darüber so gut Bescheid?“, fragte Vanessa.
„Ich habe eine Menge gelernt, als ich anfing, hier zu arbeiten. Dann habe ich auch viel gelesen, andere Antiquitätenläden durchstöbert und Auktionen besucht.“ Sie schloss die Vitrine und lachte leise. „Und aus Fehlern habe ich auch eine Menge gelernt. Ich habe mir ein paar kostspielige Fehler geleistet, dafür aber auch ein paar schöne Schnäppchen gemacht.“
„Du hast so viele schöne Dinge hier. Oh, sieh nur dies hier.“ Fast andächtig griff Vanessa nach einer Limoges-Spieldose. Sie war rund fünfzehn Zentimeter hoch und stellte ein lächelndes junges Mädchen mit blauer Haube und blau kariertem Kleid dar. „Ist das hübsch!“
„Ich versuche immer, ein paar Limoges-Stücke zu ergattern, egal ob sie antik sind oder nicht.“
„Ich habe selbst eine kleine Sammlung. Es ist schwierig, mit so zerbrechlichen Dingen zu reisen, aber sie machen so ein langweiliges Hotelzimmer gleich viel gemütlicher.“
„Ich würde dir die Spieldose gern schenken.“
„Oh nein, das geht doch nicht.“
„Bitte“, sagte Loretta, bevor Vanessa die Dose wieder hinstellen konnte. „Ich habe ein paar Geburtstage verpasst. Du würdest mir eine große Freude machen, wenn du die Dose annimmst.“
Vanessa schaute auf. Vielleicht hatten sie soeben die erste Hürde genommen. „Vielen Dank. Ich werde sie in Ehren halten.“
„Ich hole dir ein Kästchen dafür. Oh, da ist jemand an der Tür. Um diese Zeit kommen oft Leute, die einfach nur stöbern wollen. Wenn du willst, kannst du dich inzwischen oben umsehen.“
Vanessa hielt die kleine Dose behutsam in den Händen. „Nein, ich warte lieber auf dich.“
Loretta streifte sie mit einem erfreuten Blick, bevor sie ging, um ihren Kunden zu begrüßen. Als Vanessa Dr. Tuckers Stimme erkannte, folgte sie ihrer Mutter nach einem kurzen Zögern.
„Hallo, Vanessa! Wolltest du sehen, wie deine Mutter arbeitet?“
„Ja.“
Er hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt, und Lorettas Wangen waren rosig überhaucht. Er hat sie gerade geküsst, dachte Vanessa und versuchte ihre Gefühle zu analysieren. „Der Laden gefällt mir ausnehmend gut.“
„Hält sie zumindest von der Straße fern. Na ja, von jetzt an werde ich das selbst tun.“
„Adam!“
„Sag bloß nicht, dass du das Kind noch nicht eingeweiht hast.“ Er drückte sie kurz an sich. „Du meine Güte, Loretta, du hattest doch den ganzen Morgen Zeit dafür.“
„Wieso eingeweiht?“, fragte Vanessa.
Ohne Umschweife kam Dr. Tucker auf den Punkt. „Es hat mich zwei Jahre gekostet, ihren Widerstand niederzuringen. Aber jetzt hat sie mir endlich ihr Jawort gegeben.“
„Ihr Jawort?“, wiederholte Vanessa.
„Du bist doch hoffentlich nicht auch so begriffsstutzig wie deine Mutter.“ Er drückte Loretta einen Kuss aufs Haar und grinste wie ein Schuljunge. „Wir heiraten.“
„Oh“, hauchte Vanessa perplex. „Oh.“
„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“,
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