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Die Sehnsucht der Pianistin

Die Sehnsucht der Pianistin

Titel: Die Sehnsucht der Pianistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Nachtigall Nora Roberts
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ich alles aufgeklärt hatte, war es zu spät. Die Anklage, die man gegen mich vorbrachte, war ziemlich dünn, immerhin war ich damals nicht gerade ein Chorknabe.“
    „Was hat man dir denn vorgeworfen?“
    „Vergewaltigung.“ Als er ihren entgeisterten Blick sah, zuckte er die Schultern. „Ich war über achtzehn, du nicht.“
    Es dauerte fast eine ganze Minute, bevor sie begriff. „Aber das ist doch Wahnsinn! Wir haben niemals …“
    „Stimmt“, nickte er. Zu meinem großen Bedauern, fügte er im Stillen hinzu.
    Vanessa fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. „Brady, das ist ja einfach nicht zu fassen. Selbst wenn es gestimmt hätte, so hätte es doch nichts mit Vergewaltigung zu tun gehabt. Du warst nur zwei Jahre älter als ich, und wir waren ineinander verliebt.“
    „Genau das war das Problem.“
    Der Schmerz im Magen wurde stärker, und sie presste die Hand darauf. „Es tut mir leid, Brady, so leid. Wie schrecklich musst du dich gefühlt haben. Und erst deine Eltern! Oh Gott, was für eine fürchterliche Geschichte. Aber wer, in aller Welt, hat dich angezeigt? Wer sollte so etwas …“ Sie las die Antwort in seinem Gesicht. „Oh nein!“, stöhnte sie auf und wandte sich ab. „Oh mein Gott!“
    „Er war sich seiner Sache absolut sicher, und er war genauso sicher, dass ich dein Leben ruinieren würde.“ Und vielleicht ist da sogar etwas dran, dachte Brady. „Er sorgte erst mal dafür, dass ich eingelocht wurde, und dann, dass es nicht mehr vorkommen konnte.“
    „Er hätte mich fragen müssen“, flüsterte sie. „Ein einziges Mal in meinem Leben hätte er mich doch fragen können“, fügte sie hinzu.
    Sie erschauerte in der kühlen Abendluft. „Es ist meine Schuld.“
    „Dummes Zeug.“
    „Nein“, widersprach sie. „Es ist meine Schuld. Weil ich ihm meine Gefühle nie klarmachen konnte. Das betrifft sowohl dich als auch alles andere.“ Sie atmete tief durch, bevor sie Brady wieder ansah. „Was kann ich sagen, um das wiedergutzumachen, was er dir angetan hat?“
    „Du brauchst nichts zu sagen.“ Er legte ihr die Hände auf die Schultern und hätte sie an sich gezogen, wenn sie sich nicht so steif gemacht hätte. Stattdessen massierte er geduldig und mit kundigen Händen ihren verkrampften Nacken. „Du warst genauso unschuldig wie ich, Vanessa. Wir konnten die Sache nicht ins Reine bringen, denn in den ersten Tagen war ich zu wütend, um es zu versuchen, und du warst zu wütend, um mich zu fragen. Und dann warst du auf einmal fort.“
    Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten. Sie sah ihn vor sich – jung, rebellisch und zornig. Und sehr verunsichert. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Du musst tausend Ängste ausgestanden haben.“
    „Ein bisschen schon“, gab er zu. „Allerdings gab es keine formelle Anklage. Ich wurde nur für ein Verhör festgehalten. Erinnerst du dich noch an den alten Sheriff Grody? Er war ein brutaler, spitzbäuchiger Kerl und konnte mich auf den Tod nicht ausstehen. Er hat die Gelegenheit genutzt, mir ordentlich eins auszuwischen. Jemand anderes hätte die Sache vielleicht anders angepackt.“
    Wozu sollte er ihr erzählen, wie er voll Angst und Schrecken und hilfloser Wut dort in der Zelle saß und darauf wartete, telefonieren zu dürfen, während der Sheriff und Saxton im Nebenraum verhandelten.
    „An jenem Abend ist noch etwas anderes passiert, etwas, das mich mit dem Schicksal ein wenig ausgesöhnt hat. Mein Vater hat sich vor mich gestellt. Ich hätte nie gedacht, dass er so rückhaltlos für mich eintreten würde. Keine Fragen, keine Zweifel – er hat mir völlig vertraut. Ich glaube, das hat mein Leben irgendwie verändert.“
    „Mein Vater“, sagte Vanessa bitter. „Er wusste, wie viel mir dieser Abend bedeutete, wie viel du mir bedeutet hast. Mein Leben lang habe ich getan, was er wollte – nur nicht, was dich betraf. Er hat dafür gesorgt, dass er auch da seinen Willen bekam.“
    „Seitdem ist viel Zeit vergangen, Vanessa.“
    „Ich glaube nicht, dass ich …“ Sie brach ab und stieß einen unterdrückten Schmerzenslaut aus.
    „Was ist, Vanessa?“ Erschrocken sah er sie an.
    „Nichts. Es ist nur …“ Aber die nächste Schmerzwelle war schon da und riss sie fast von den Beinen. Brady hob sie einfach hoch und wandte sich zum Haus zurück.
    „Nein, lass mich. Mir geht es gut. Es war nur ein leichtes Stechen.“
    „Atme tief und langsam durch.“
    „Verdammt, ich sagte dir doch, dass es nichts ist.“ Gepeinigt

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