Die Sehnsucht der Pianistin
den Tisch und stützte den Kopf in die Hände. „Wenn ich schon richtig wach gewesen wäre, hätte sie mich nicht so überfahren können.“
„Natürlich nicht. Soll ich dir Rühreier braten?“
„Du brauchst mir kein Frühstück zu machen“, murmelte Vanessa mit gesenktem Kopf.
„Macht gar keine Mühe.“ Summend gab Loretta Eier in eine Schüssel. Zwölf Jahre lang hatte sie niemanden mehr bemuttern können. Es war ihr ein Bedürfnis, ihre Tochter ein wenig zu verwöhnen.
Vanessa betrachtete nachdenklich ihre Teetasse. „Ich will dich nicht aufhalten. Musst du nicht den Laden öffnen?“
„Der Vorteil, einen eigenen Laden zu haben, liegt darin, dass man sein eigener Chef ist.“ Sie fügte ein wenig Salz und Pfeffer hinzu. „Und du brauchst ein gutes Frühstück. Adam sagt zwar, du bist auf dem Wege der Besserung, aber er will, dass du zehn Pfund zunimmst.“
„Zehn?“ Vanessa verschluckte sich fast an ihrem Tee. „Ich brauche keine …“ Wieder klopfte es.
„Jetzt gehe ich“, erklärte Loretta. „Sollte es wieder ein Klavierstundenanwärter sein, verscheuche ich ihn.“
Aber diesmal war es Brady, der triefend auf der Schwelle stand. Lächelnd schaute er zu Vanessa herüber, während ihm das Wasser aus dem dunklen Haar tropfte. Vanessas anfängliche Freude verwandelte sich sofort in Unmut, als er den Mund öffnete.
„Morgen, Loretta.“ Er blinzelte Vanessa zu. „Hallo, meine Schöne.“
Vanessa antwortete mit einem unverständlichen Murmeln.
„Brady, was für eine nette Überraschung!“ Loretta bot ihm die Wange zum Kuss und schloss dann die Tür hinter ihm. „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte sie auf dem Weg zur Arbeitsplatte.
„Nein, Ma’am.“ Er schnüffelte genüsslich. „Sind das etwa Rühreier?“
„In einer Minute sind es welche. Setz dich hin, dann kriegst du auch etwas ab.“
Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er strich sich das triefende Haar aus dem Gesicht und setzte sich zu Vanessa an den Tisch. Mit einem strahlenden Lächeln kaschierte er die gründliche Musterung, der er sie unterzog. Die fehlenden Schatten unter ihren Augen befriedigten ihn ebenso wie der rebellische Ausdruck in ihnen.
„Wunderschöner Tag heute“, sagte er.
Vanessa hob den Blick zu den Fenstern, gegen die der Regen prasselte. „Wie recht du doch hast.“
Ohne sich von ihrer schroffen Antwort beirren zu lassen, drehte er sich auf dem Stuhl um, um mit Loretta ein wenig zu plaudern, während sie das Rührei zubereitete.
Zwei Tage lang lässt er sich nicht blicken, dachte Vanessa grimmig, und jetzt spielt er sich auf wie der Kaiser von China. Er hatte sie nicht einmal nach ihrem Befinden gefragt. Nicht, dass sie sich das etwa wünschte, aber immerhin war er Arzt, und von ihm stammte auch diese lächerliche Diagnose.
„Ach, Loretta.“ Brady lief das Wasser im Mund zusammen, als Loretta ihm das duftende Gericht vorsetzte. „Mein Vater ist ein glücklicher Mann.“
„Offenbar ist die Kochkunst für die Tuckers das wichtigste Kriterium bei der Auswahl ihrer Frauen“, bemerkte Vanessa spitz.
Brady lächelte nur lässig. „Schaden kann es jedenfalls nicht, oder?“
Vanessa spürte, wie Ärger in ihr hochstieg. Nicht etwa, weil sie nicht kochen konnte! Es war nur diese engstirnige Macho-Haltung, die sie so wütend machte. Bevor ihr noch eine passende Antwort einfiel, stellte Loretta auch ihr einen Teller hin.
„So viel kann ich nicht essen.“
„Aber ich“, sagte Brady rasch. „Ich esse schon auf, was du übrig lässt.“
„Nachdem ihr beide versorgt seid, gehe ich jetzt wohl besser den Laden öffnen. Vanessa, es ist noch von der Hühnersuppe da, die Joanie gestern gebracht hat. Du kannst sie dir zum Mittag heißmachen. Wenn der Regen anhält, bin ich wahrscheinlich früh wieder da. Viel Glück mit Scott.“
„Scott?“, fragte Brady, als Loretta gegangen war.
Vanessa stützte die Ellbogen auf den Tisch. „Frag mich nicht.“
Brady stand auf und schenkte sich Kaffee nach. „Ich wollte mit dir über die Hochzeit sprechen.“
„Die Hochzeit?“ Begriffsstutzig sah sie ihn an. „Ach, die Hochzeit. Ja, was ist damit?“
„Dad hat nicht lockergelassen und Loretta herumgekriegt, dass die Sache am Memorial Day über die Bühne geht.“
„Memorial Day? Aber das ist doch schon nächste Woche!“
„Warum sollen sie noch warten? Auf diese Weise können sie die alljährliche Gartenparty in eine Art Hochzeitsempfang umfunktionieren.“
„Ich verstehe.“ So bald
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