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Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Titel: Die Sehnsucht der Smaragdlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Mccabe
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Mutter sagen? Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Reise und England erfüllt Eure Erwartungen. Mögt Ihr und Don Carlos all Eure Ziele erreichen und nach Hause zurückkehren, um Euren neuen Enkel Antonio Velazquez kennenzulernen. Julietta hat die Geburt gut überstanden …“
    Aha, ein Brief von ihrem Sohn. Als sie diese Worte las, hatte Marguerite zum ersten Mal das Gefühl, sich in etwas einzumischen, das sie nichts anging. Sie wollte gerade den Brief wieder zusammenfalten, als ihr Blick auf Nikolais Namen fiel und so fuhr sie fort, den Brief zu lesen.
    „… da ich nicht da sein kann, um Euch zu beschützen, müsst Ihr Nikolai vertrauen, wie Ihr mir vertrauen würdet. Mir ist klar, das sagte ich Euch schon, als ich ihn zu Euch schickte. Aber ich werde besser schlafen, wenn ich weiß, dass er über Euch wacht. Meine liebste Mutter, in Greenwich geht Ihr in die Höhle des Löwen, doch Nikolai besitzt einen starken Schwertarm und einen schlauen Kopf. Er rettete mir und auch Julietta das Leben, sonst gäbe es heute Morgen keinen schreienden Antonio in seiner Wiege. Hört auf seinen Rat, und haltet Euch immer in seiner Nähe auf, so werden wir mit Gottes Segen im Sommer wieder beisammen sein.“
    Stark und schlau. Sicher war er beides. Seine Anwesenheit erschwerte die Erledigung ihres Auftrags hier am englischen Hof mehr als jede andere erdenkliche Schwierigkeit. Engländer wie Tilney und seinesgleichen ließen sich durch Marguerites gutes Aussehen, ihre schönen Kleider und ihr süßes Lächeln blenden. Sie dachten nicht im Traum daran, dass sie etwas anderes sein könnte als eine leichtsinnige, unbesonnene Französin. Und König Henry war zu sehr mit seinen diplomatischen Gesprächen und Mistress Boleyn beschäftigt, um auch nur einen Blick auf seine Umgebung zu werfen. Ihr Gesicht, das sie von ihrer hübschen Mutter, einer Kurtisane, geerbt hatte, war die beste Maske, um ihre eigentlichen Absichten erfolgreich zu verbergen.
    Doch wenn Nikolai sie mit seinen blauen Augen anschaute, spürte sie, dass er mehr sah als nur ihre hübsche Fassade. Es war wohl sein Leben als Schauspieler, vermutete Marguerite, das ihn dazu befähigte, das wahre Gesicht seiner Mitmenschen zu erkennen und sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen zu lassen. Schließlich waren Illusionen sein Metier.
    Warum konnte er nicht einfach fortgehen, zurück nach Venedig oder Russland? Warum konnte er nicht einfach verschwinden?
    Marguerite legte das Schreiben zurück in die Schatulle und schlug den Deckel zu. Aus dem angrenzenden Zimmer, es war Doña Elenas Schlafgemach, hörte sie plötzlich Gelächter und Geplapper. Es waren Dienstmädchen, die kamen, um aufzuräumen. Marguerite merkte, dass sie sich zu lange mit den Papieren beschäftigt hatte. Sie hakte den Riegel wieder ein und hastete, die Röcke raffend, auf Zehenspitzen leise aus dem Raum. Auf dem Gang strich sie sich die Haare glatt und setzte ihren Weg langsam fort, als würde sie nichts in der Welt bekümmern und als hätte sie keinerlei Grund zur Eile.
    Ausgenommen von der Unterhaltung der Diener, die dabei waren, die Räume zu lüften und Feuer in den Kaminen zu machen, war es in diesem Flügel des Palastes sehr still. Die Männer nahmen alle an der Zusammenkunft mit dem englischen König teil, und Doña Elena und ihre Damen gingen wieder in den Gärten spazieren. Marguerite hatte sie von ihrem Fenster aus sehen können und sich schnell bei Claudine entschuldigt, um die Schatulle untersuchen zu können, solange sie Gelegenheit dazu hatte. Marguerite bezweifelte, dass Claudine, die im Kreise ihrer Begleiterinnen stickte und wegen ihrer morgendlichen Übelkeit schlecht gelaunt und bissig war, sie überhaupt vermisste.
    Sie wollte zu den Gemächern der französischen Delegation zurückkehren, als ihr klar wurde, dass sie eigentlich keine Lust mehr hatte, den Morgen weiterhin damit zu verbringen, herumzusitzen und zu sticken. Marguerite hatte dem Gekicher der anderen Damen über die altmodischen Manieren der Engländer gelauscht, bis sie dachte, sie müsse gleich anfangen zu schreien. Was immer vergangene Nacht im Garten über sie gekommen war – diese wilde Verrücktheit, die die Sehnsucht in ihr geweckt hatte, geradewegs in den Himmel zu fliegen –, es hatte sie nicht wieder verlassen. Nicht völlig.
    Statt sich wieder zu Claudine und ihren Begleiterinnen zu gesellen, ging sie die Treppe hinunter und nach draußen in die Gärten. Sie trug weder einen Mantel noch einen Umhang, nur ihr

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