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Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Titel: Die Sehnsucht der Smaragdlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Mccabe
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warf Pater Pierre aus den Augenwinkeln einen Blick zu, doch sein Gesicht verriet ihr wenig. Er wirkte einfach nur so ernst wie immer, so, als würde er etwas von ihr erwarten. Etwas, das sie nicht entschlüsseln oder ergründen konnte. „Er war es. Er ist sehr geschickt.“
    „Ist er denn nur als Arzt geschickt?“
    „Was meint Ihr?“, entgegnete Marguerite kühl. Sie hatte den Priester während dieser ganzen Reise als äußerst unangenehm empfunden, und heute Abend stieß er sie besonders ab. Immer noch fühlte sie die beflügelnden Nachwirkungen ihres Seiltanzes, dieses atemberaubenden Erlebnisses. Sie wollte sich das nicht verderben lassen, von niemandem. So wie es war, würde alles sowieso früh genug vorbei sein.
    Pater Pierre zuckte die Achseln und wandte sich ab, als könnte er es nicht ertragen, sie länger anzublicken. „Ich weiß einfach nicht, ob es klug ist, so viel Zeit mit den Spaniern und ihren Verbündeten zu verbringen. Ganz gleich, was für ein freundliches Gesicht sie auch aufsetzen, sie sind nicht unsere Freunde, Madame Dumas. Sie sind in eigener Sache hier und werden sicher mit allen Mitteln verhindern wollen, dass die Verhandlungen zu unseren Gunsten verlaufen.“
    Marguerite schaute zu Doña Elena hinüber, die ihren Gatten freundlich anlächelte. „Ich bin keine Närrin, Pater Pierre“, entgegnete sie. „Ich kenne die Spielregeln eines königlichen Hofs. Ich weiß, dass niemand ein wirklicher Freund ist.“ Sie sprach mit Überzeugung, doch eine winzige Stimme flüsterte ihr Zweifel ein. Ja, einst hatte sie das geglaubt. Die raffinierte, verwickelte Hofpolitik war ihr Leben gewesen. Aber jetzt …
    Hatte sie alles vergessen? Hatte Nikolais Leidenschaft sie weich werden lassen? Doña Elenas Freundlichkeit?
    „Das ist nicht wahr“, sagte Pater Pierre eindringlich und beugte sich so nahe zu ihr hinüber, dass sie den muffigen Geruch seines wollenen Gewandes riechen und die Hitze seines dünnen Körpers fühlen konnte, was ihr nicht behagte. Sie rückte ein Stück von ihm weg. „Es gibt immer wahre Freunde. Ihr solltet nur wissen, wo Ihr nach ihnen suchen müsst.“
    „Ich werde Euren Rat beherzigen“, erwiderte sie ruhig.
    „Ich bin immer da, um mir Eure Sorgen anzuhören, Madame. Manchmal sind die Tröstungen des Himmels die besten, die man finden kann.“
    Marguerite schürzte die Lippen. Sie bezweifelte, dass himmlische Angelegenheiten alles waren, was er – oder irgendein Mann – im Kopf hatte. „ Merci , Vater“, antwortete sie.
    Ein Page blieb stehen, um ihr Wein einzuschenken, und Marguerite nahm die Unterbrechung als willkommenen Anlass, um noch weiter von dem Priester abzurücken.
    Als sie sich umwandte, um das Paar neben sich ins Gespräch zu ziehen, öffneten sich die Türen der Festhalle, und im Lärm der weinseligen Gespräche schlüpfte unbemerkt eine neue Gruppe Schauspieler herein. Das heißt, von allen unbemerkt außer von Marguerite, denn einer der Männer war Nikolai.
    Er trug seine feinen roten Hofgewänder, hatte das Haar zurückgebunden, um die Perle, die an seinem Ohr hing, und die feine goldene Stickerei an seinem hohen Kragen zu enthüllen. Doch den Mann, der neben ihm ging, hatte Marguerite noch nie zuvor gesehen. Sie studierte ihn sorgfältig, diesen Fremden, dessen Auftreten etwas Bemerkenswertes hatte.
    Er war groß, sogar noch größer als Nikolai, schlank, mit dicken Muskelpaketen unter seiner schwarzen Kleidung aus Samt und Leder. Glattes, glänzendes hellbraunes Haar fiel ihm über die Schultern, und sein hübsches ovales Gesicht, von einer Sonne gebräunt, die nie über England geschienen hatte, wurde von einem kurz geschnittenen Bart umrahmt, der seiner jugendlichen Schönheit etwas Schroffes verlieh. Seine Augen waren von einem moosigen Waldgrün, und der Ausdruck darin war kühl und distanziert. Seine hohen schwarzen Stiefel, obwohl sauber und aus feinem Leder gearbeitet, waren schäbig und abgetragen. Den Dolch an seinem Gürtel zierte ein einfaches, abgegriffenes Heft.
    Ein Mann der Tat also. Aber wer war er? Er sah nicht wie ein Schauspieler aus, so wie Nikolai. Ihm fehlten die rasche, sprunghafte Leichtigkeit, dieser goldene Schimmer. Wenn Nikolai ihr Engel war, so war dieser Mann so etwas wie der Herr der Unterwelt, den dunkle Wolken und Raben umgaben.
    Als Nikolai und der Fremde, gefolgt von etlichen anderen schwarz gekleideten Schauspielern, den Festsaal betraten, wandten sich alle Blicke ihnen zu, und plötzlich verstummten die

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