Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
hatte sie nicht daran gedacht. Nicht nur, weil sie auf eine Nachricht von Nick wartete, sondern auch, weil sie insgeheim die idiotische Hoffnung pflegte, Julian würde sich melden. Mit zitternden Fingern nahm sie das Handy, um die hinterlassene Nachricht zu checken. Sie stammte nicht von Julian.
Es war eine SMS von Nick, die aus einem einzigen Wort bestand.
Wiedersehen.
Das Wort jagte ihr Angst ein. Was hatte das zu bedeuten? Wiedersehen?
Oh nein!
Sie sprang auf, schloss mit zitternden Händen das Studio ab und rannte zu ihrem Wagen. Ihr Herz raste. Ihre erste Yogastunde mit Nick hatte bei ihm zu Hause stattgefunden. Sie stieg ein und raste los nach West Hollywood. Jede Sekunde kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Es war ein surrealer Albtraum, dem sie da entgegenraste, und doch unausweichlich real.
Vor Nicks Haus stand bereits ein Notarztwagen, als sie eintraf. Sie sprang aus dem Auto und lief zur Haustür, die offen stand. Im Wohnzimmer war ein Team von Notärzten damit beschäftigt, Nicks leblosen Körper mit einer Herz-Lungen-Massage wiederzubeleben.
Wie damals bei ihrem Vater.
Und wie ihr Vater war auch Nick schon tot und kalt.
„Darf ich ihn sehen?“, fragte sie, als sie auf ihn zuging. Weinend stand sie da und betrachtete ihn. Legte eine Hand auf seine Stirn. Jetzt, im Tod, war Nick im Frieden mit sich. So wirkte es jedenfalls. Fast sah er aus wie ein Engel.
„Sind Sie seine Freundin, Miss?“, fragte jemand.
„Nein“, flüsterte sie. „Er hatte keine Freundin.“
Nick hatte gelebt und war gestorben, ohne die wahre Liebe kennenzulernen. So wie Serena.
Nicks Tod wurde in der Presse als versehentliche Überdosis dargestellt, das Ergebnis eines tödlichen Drogen- und Medikamentencocktails. Die SMS, die Serena kurz vor Nicks Tod von ihm erhalten hatte, verriet etwas anderes. Nick hatte sich umgebracht. Jetzt saß sie in Arielles Büro und versuchte zu verstehen, was passiert war.
„Wohin ist er gekommen?“ Serena schämte sich so sehr. Sie hatte komplett versagt.
„Wir wissen es noch nicht genau.“ Arielle zögerte, bevor sie hinzufügte: „Aber wir gehen davon aus, dass er ein Dämon geworden ist.“
Serena sah aus dem Fenster. Auf der anderen Straßenseite war der Strand. An diesem heißen Sommertag müsste Nick da draußen sein und am Strand liegen, sich hinter den Gläsern seiner Pilotenbrille und seiner Baseballkappe verstecken. Stattdessen lag er im kühlen Leichenschauhaus auf einem Plastiklaken. Sie musste sich auf die Lippe beißen, um nicht loszuheulen. „Nick hat sich meinetwegen umgebracht.“
Arielles scharfer Blick verlieh ihren hellblauen Augen etwas Furcht Einflößendes. „Sag so etwas nie wieder. Nicks Tod war nicht deine Schuld. Wir alle verlieren immer wieder Schutzbefohlene. Das gehört zur Realität eines Schutzengels. Jede Seele trifft ihre Entscheidungen für sich. Wir haben uns nichts vorzuwerfen.“ Sie hielt inne. Ihrem perfekten, schönen Gesicht war anzusehen, dass sie mit etwas kämpfte. Schließlich rückte sie damit heraus. „Ich konnte es dir bisher nicht sagen, aber auch ich habe meinen ersten Schutzbefohlenen verloren.“
„Du?“
„Ja. Und ich habe in letzter Zeit übertrieben viel Energie darauf verwendet, ihn zurückzugewinnen.“
Julian.
Plötzlich hatte Serena ein klares Bild vor Augen. Alle einzelnen Teile fügten sich zu einem Ganzen zusammen. Sie konnte nicht anders, als noch einmal alles zu rekapitulieren, was mit dem Erzdämon zusammenhing. Im Bruchteil einer Sekunde waren alle ihre Mutmaßungen über ihn, aber auch über Arielle, in sich zusammengefallen. „Aber wie kann ein Engel einem Dämon zugewiesen werden?“
„Ich war Julian zugeteilt, als er noch ein Mensch war. Die letzten zweihundert Jahre habe ich um seine Seele gekämpft“, erklärte Arielle ihr stockend. „Ich habe alles versucht. Direkte Intervention, reihenweise Frauen. Nichts hat funktioniert. Dann kamst du.“
Die Gefühle kochten in Serena hoch. Wut, Frustration und Traurigkeit wirbelten in ihrem Innern wie ein Tornado, der sie wegzureißen drohte. Doch die beruhigende Ausstrahlung ihrer Ausbilderin half.
„Aber es hat nicht funktioniert. Ich habe Julian nicht gerettet.“ Diese Information musste sie erst einmal sacken lassen.
„Aber du bist ihm nähergekommen als jede andere.“
„Deshalb hast du mich mit ihm allein gelassen? Damit ich ihn auf unsere Seite hole?“
Arielle lächelte freundlich. „Du warst nie allein. Die Kompanie hat Engel ausgesandt, die
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