Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
sie einen Tee machte, tat er so, als würde er sich die Bücher und Yogakleidung ansehen, die sie zum Verkauf anbot. In Wirklichkeit beobachtete er sie, wie sie das kochende Wasser in eine Tasse goss. Selbst diese schlichte Geste hatte bei ihr eine vollkommene Anmut.
„Chai?“, bot sie ihm an.
„Hast du auch was Stärkeres da?“ In Wirklichkeit trank er fast gar keinen Alkohol. Sein Geschäft war es, andere in die Hölle zu schicken, und nicht, selbst dort zu landen. Schon vor langer Zeit hatte er erkannt, dass man einen klaren Kopf brauchte, um das organisierte Chaos zu kontrollieren, das sich Nacht für Nacht im Devil’s Paradise abspielte, und um die Geschäfte in seinen anderen Klubs zu beaufsichtigen. Aber das brauchte sie nicht zu wissen.
„Trinken Sie einen Tee. Das wird Ihnen guttun.“
„Nein, danke. Ich hatte schon genug Gutes für heute.“ Am liebsten hätte er ihre Gutmensch-Aura auf der Stelle ins Wanken gebracht. Sie strahlte Selbstgefälligkeit aus. Auf eine große Statue einer sechsarmigen Gottheit deutend, die auf dem Fensterbrett stand, sagte er: „Ist das nicht ein Sakrileg? Wird dich dein Gott nicht bestrafen, wenn du Götzen anbetest?“
„Zufälligerweise bin ich ein multireligiöser Engel“, sagte sie und richtete sich auf. Ihre blauen Augen folgten ihm, als er durch den Raum ging. „Alle großen Religionen fußen auf denselben Grundprinzipien.“
Während sie sprach, nahm er ein Buch zur Hand, auf dem ein Mann abgebildet war, der ein Bein hinter seinen Kopf geschlungen hatte, und blätterte es durch. Lächerlich, worauf die Menschen heutzutage hereinfielen. Glaubten sie etwa, sie würden die Erleuchtung erlangen, indem sie ihre Körper zu Brezeln verdrehten? Er stellte das Buch zurück ins Regal.
„Das ist wohl ein bisschen naiv. Es gibt große Unterschiede zwischen den verschiedenen Religionen.“
„Wenn wir uns mehr auf die Gemeinsamkeiten als auf die Gegensätze konzentrierten, wäre die Welt ein besserer Ort.“
„Wer will das schon?“
Trotzig reckte sie das Kinn nach oben und starrte ihn mit ihren fantastischen blauen Augen an. „Ich.“
Ein bitteres Lachen drang aus seiner Kehle. „Wie kommst du darauf, dass deine Seite gewinnt?“ Er ging einen Schritt auf sie zu. „Verfügt ihr etwa über irgendwelche Geheimwaffen, von denen wir nichts wissen?“ Noch ein Schritt. „Glaubst du wirklich, du wärst eine ebenbürtige Gegnerin für mich?“ Jetzt stand er genau vor ihr und sah ihr direkt in die Augen.
„Ich weiß es.“ Sie wich keinen Zentimeter zurück. Eigensinnig. Wunderschön.
„Woher willst du das wissen?“, forderte er sie heraus. „Wie kannst du dir sicher sein, dass eure mickrige Kompanie der Amateure am Ende siegen wird?“
Ihre Antwort bestand in einem protestierenden Keuchen, als er den Arm um ihre Taille schlang. Sie an sich zog. Sie küsste. Wie in der Nacht zuvor wand sie sich in seiner Umarmung. Doch er hielt sie fest und drückte seinen Mund hart auf ihren. Und dann passierte es. Sie erwiderte seinen Kuss, diesmal aus eigenem Antrieb und nicht, weil er sie dazu nötigte.
Irgendwann in den letzten zweihundert Jahren hatte er aufgehört zu zählen, wie viele Frauen er schon geküsst hatte. Er hatte Dienerinnen geküsst und Prinzessinnen, katholische Nonnen und Kurtisanen. Er hatte Frauen auf dem Eiffelturm geküsst, im Harem eines saudiarabischen Sultans, in den Bordellen von London, auf dem Sukh von Marrakesch und an den Stränden von Saint-Tropez. Kein einziger Kuss war es wert gewesen, sich daran zu erinnern. Dieser war es.
In dem Moment, als ihre Lippen die seinen berührten, hörte er wieder dieses Geräusch von raschelnden Flügeln, das er auch letzte Nacht bei ihrer Berührung vernommen hatte. Diesmal wusste er, dass es keine Einbildung war. Es verursachte ihm einen Moment lang eine Art schlechtes Gewissen – einen Engel zu küssen musste eine Sünde sein. Aber er hatte schon so viele Sünden begangen. Was machte da eine mehr? Doch dann wurde ihr Kuss fordernder, und jeder Gedanke an Sünde war wie weggeblasen.
Ihm kam es vor, als wäre das gesamte Universum zu diesem einzigen, perfekten Augenblick zusammengeschrumpft. Vergangenheit und Zukunft schienen in der Süße ihres Kusses zu verschwinden. Es gab nur noch das Jetzt, die Berührung ihrer Lippen und die Hitze ihres Körpers.
Er wollte sie fester an sich ziehen. Sein Schwanz pulsierte, groß und bereit für sie. Aber er hielt sich zurück. Er wusste, wenn er zu forsch
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