Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)

Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)

Titel: Die Sehnsucht des Dämons (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Chong
Vom Netzwerk:
verschiedene Käse- und Crackersorten, Sandwiches mit gebratenem Gemüse, eine große Flasche kühle Limonade. Er goss ihr einen Becher ein, und sie trank gierig.
    Er hatte sie an einen Ort unendlicher Schönheit gebracht. Unfähig, Worte zu finden, die ihre Freude und ihre Ehrfurcht angemessen zum Ausdruck brachten, sagte sie nur ein schlichtes „Danke.“
    „Es freut mich, wenn du glücklich bist“, sagte er leise. Langsam schritt er am Rand des Felsplateaus entlang und spähte nach unten. Dabei beobachtete er Serena heimlich, wie sie ihren Lunch verspeiste. Sie gab ein hübsches Bild ab, wie sie mitten auf dem Plateau saß, vor den bunten Gesteinsschichten, die sich rechts und links von ihnen erhoben. Ihr sonnenblondes Haar flatterte im Wind, und ihre Wangen waren leicht gerötet von der Sommerhitze.
    Das, was er eben gesagt hatte, meinte er ernst. Es verschaffte ihm ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit, sie so im Einklang mit ihrer Umgebung zu sehen. Aber es hatte ihn erschüttert, sich selbst diese Worte aussprechen zu hören. Selbst wenn er über dem Abgrund hing und abzustürzen drohte, könnte ihn das nicht so erschüttern. Mit Gefühlen dieser Art verfuhr man am besten, indem man sie unterband, bevor sie noch mehr an Tiefe gewinnen konnten. Er musste die Zärtlichkeit, die in seinem Herzen aufkeimte, ignorieren und auf andere Gedanken kommen. Er gesellte sich wieder zu ihr und begann zu reden.
    „Als ich neu in Amerika war, war der Grand Canyon einer der ersten Orte, die ich besuchte“, erzählte er und stand auf dem Rand des Plateaus. „Ich kam von England mit dem Dampfschiff hierher, Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Also, lange bevor ich die Fähigkeit besaß, mich zu entmaterialisieren. In London wütete damals eine Choleraepidemie, überall waren nur Krankheit und Armut.“
    Wie seltsam. Davon hatte er eigentlich gar nicht anfangen, sondern über irgendetwas Belangloses, Triviales plaudern wollen. Üblicherweise erzählte er Frauen seine persönliche Geschichte nicht, aber Serena gegenüber empfand er eine seltsame Verpflichtung. Mitten in dieser zerklüfteten Berglandschaft, die ihn so aufwühlte. Er wünschte sich, in ihren blauen Augen Verständnis für ihn zu lesen und nicht immer nur Vorsicht und Misstrauen. Offensichtlich gelang es ihm nicht, seine Gefühle für sie zu unterdrücken, im Gegenteil: Sie wurden immer stärker. Und er konnte nicht aufhören zu reden.
    „Das viktorianische England war ein repressives Land, von moralisch-gesellschaftlichen Regeln geprägt, sexuell unfrei. Natürlich operierte unter der geschniegelten und gestriegelten Oberfläche eine florierende kriminelle Unterwelt. Doch in England wurde ich dauernd an meine Familie erinnert, die ich verloren hatte. Mein Vater war damals seit über einem halben Jahrhundert tot, und ich brauchte einfach einen Neuanfang. Zu dieser Zeit war Amerika wild. Ich dachte, New York wäre die richtige Stadt für mich, doch die Dämonen hatten sie schon unter sich aufgeteilt. Ich wollte aber unbekanntes Terrain, also zog ich mit den Forty-Niners, den Teilnehmern am Kalifornischen Goldrausch, nach Westen. Das war 1849. Ein paar wenige Männer wurden reich, die meisten gingen leer aus. Zwanzig Jahre später brach dann die Powell-Expedition in den Grand Canyon auf.“
    Damals war das Gebiet noch ein weißer Fleck auf der Landkarte, es gab noch keinerlei Karten der Region. Er erzählte Serena, wie er vorsichtig mit seinem Pferd den steilen Zickzack-Pfad hinuntergeritten war, den die Hopi-Indianer dort angelegt hatten. Er war hier gewesen, weil er etwas suchte – nicht Gold, sondern Bedeutung. Es erschien ihm logisch, dass hier der Eingang zur Hölle sein sollte, falls es von der Erde aus überhaupt einen Zugang gab. Nach fünfzig Jahren als Dämon war er es leid, Männer fallen zu sehen und derjenige zu sein, der sie zu ihren Ausschweifungen ermutigte. Damals hatte er tief unten in der Schlucht im Regen gestanden und darauf gewartet, dass Satan ihn zu sich zurückholte. Dass er ihm eine Springflut schickte oder einen Blitz. Aber nichts geschah.
    „Nachdem der Goldrausch vorbei war, ging ich nach Süden, nach Los Angeles. Ich hatte beträchtliche Gewinne gemacht. Zu dieser Zeit galt die Stadt als ein hartes Pflaster. Mexikanisch-Stämmige und Angelsächsisch-Stämmige kämpften um Territorien, ein Lynchmob beherrschte die Straßen, und die Mordrate war zehn bis zwanzig Mal höher als damals in New York. Für einen Dämon, der versuchte,

Weitere Kostenlose Bücher