Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)
nicht gelungen, zu den anderen Schiffen aufzuschließen.
Kaum hatte Harriet das Deck betreten, als sich auch schon Lan Meng an ihre Fersen heftete und mit ihr die Treppe zum erhöhten Achterdeck hinaufstieg. Captain Jenkins und sein Erster Offizier diskutierten leise, aber heftig, bis Jenkins die beiden Frauen bemerkte und schlagartig eine optimistische Miene aufsetzte. Die Matrosen machten das Schiff bereits klar zum Gefecht.
Harriet trat näher. »Gibt es Schwierigkeiten, Captain?«
»Nun, Miss Dorley, ich könnte nicht sagen, dass mir der Anblick dieser Fregatte backbord gefällt.« Jenkins hatte versucht auszuweichen, aber die Fregatte schien darauf abzuzielen, ihnen den Weg abzuschneiden.
Sein Erster Offizier flüsterte ihm etwas zu, und Jenkins’ Gesicht wurde grimmig. »Dachte ich mir’s doch. Die El Capitano . Diese verdammten Kerle machen jetzt schon alle Meere unsicher.«
»Wie heißt das Schiff?« Lan Meng hatte so hastig gefragt, dass Jenkins sie erstaunt ansah. Sie drängte sich an Harriet vorbei und starrte mit aufgerissenen Augen auf die weißen Segel am Horizont.
»Es ist die El Capitano «, wiederholte Jenkins, verblüfft über Lan Mengs Erregung.
»Ist das nicht jenes Schiff, von dem man sagt, es wäre so eine Art Flaggschiff für diesen Piraten?«, fragte Harriet. Sie bemühte sich um einen gelassenen Tonfall. Sie wusste, was ihre Freundin so außer Fassung brachte. Und ihr selbst ging es nicht viel besser.
Der Captain beeilte sich, ihre Sorge zu zerstreuen. »Ein Piratenschiff, zweifellos, aber wir hätten es auch schlechter treffen können.« Sein beruhigendes Lächeln fiel reichlich schief aus. »Sie werden vermutlich schon von ihm gehört haben. Dieser El Capitano besitzt eine ganze Flotte und ist zwar überall verhasst, aber diese Leute sind auch dafür bekannt, dass sie Passagieren nichts tun und nicht ganze Mannschaften abschlachten. Es wäre sogar leicht möglich, dass sie uns nur unsere Ladung abnehmen und dann wieder abziehen, wenn wir die Flagge streichen, ohne uns auf einen Kampf einzulassen.«
Harriet ließ sich von seinem besänftigenden Ton nicht in die Irre führen. »Und werden wir das tun?« Sie zwang sich zu einem ruhigen Tonfall, obwohl sie vor Nervosität kaum ruhig stehen bleiben konnte. Die El Capitano . Von allen Piraten ausgerechnet er!
Über Jenkins’ Gesicht glitt ein um Verständnis bittendes Lächeln, dem zugleich die Entschlossenheit eines harten Seemanns anzusehen war. »Nein, Miss Dorley. Ich werde vor keinem Piraten der Welt die Flagge streichen, bevor ich nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, zu entkommen oder mich zu wehren. Ich möchte weder Admiral McRawley noch seinen Partnern gegenübertreten müssen, ohne das Schiff entsprechend verteidigt zu haben. Aber haben Sie keine Sorge, einer meiner Männer wird Sie und Miss Lan Meng an einen sicheren Ort unter der Wasserlinie bringen, sobald das Gefecht losgeht.«
Der Erste Offizier brüllte einen Befehl über Deck. Weitere Segel entrollten sich, fingen den Wind ein und trieben das Schiff voran. Die Masten knarrten, das Tauwerk ächzte und stöhnte unter dem zusätzlich Druck. Die Red Vanessa legte sich schräger und beschleunigte, und Harriet hielt sich an der Reling fest, bis sie wieder ihr Gleichgewicht gefunden hatte. Kurz bevor sie sich vorsichtig die Treppe hinunterhangelte, sah sie noch einmal zu dem sie verfolgenden Schiff. Der Abstand verringerte sich zunehmend, das war schon mit bloßem Auge deutlich. Die Red Vanessa war zwar ein relativ schnelles Schiff, aber doch behäbiger als die sie verfolgende Fregatte und zudem schwer beladen.
Als Harriet Lan Meng in die Kajüte ziehen wollte, schüttelte diese den Kopf. Ihre Augen wirkten in dem bleichen Gesicht tiefschwarz.
»Ich gehe nicht mit. Ich werde kämpfen. Wenn El Capitano noch lebt und an Bord ist, werde ich ihn töten.«
»Ist es denn gewiss, dass es sich um die El Capitano handelt?« Harriets Stimme klang belegt.
»Völlig sicher.«
»Lany«, Harriet klang bittend, aber ein Blick in Lan Mengs Gesicht ließ sie verstummen. Man hörte schon das erste Grollen von Kanonen. Das sie verfolgende Schiff hatte auf die Red Vanessa gefeuert. Vorerst war es nur ein Warnschuss, aber bald würde es ernst werden.
Matrosen kamen herein, um die Heckkanone in Harriets Kajüte gefechtsklar zu machen. Als Lan Meng sie am Arm packte und energisch mit sich zog, warf sie noch einen Blick zum Fenster hin. Sie hoffte so sehr, dass El Capitano sich
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