Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht Meines Bruders

Die Sehnsucht Meines Bruders

Titel: Die Sehnsucht Meines Bruders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Waters
Vom Netzwerk:
Geschlecht zu lieben. Es kommt doch immer nur auf deine Gefühle für eine bestimmte Person an.“, begann ich, nicht besonders einfallsreich, das hörte ich selbst. Aber wie sollte ich das auch anders beschreiben? Andererseits hatte er Recht, mit dem, was er über sein damaliges Alter und über Robert gesagt hatte. Meine Wut über den Eindringling hatte alles überdeckt, was sonst noch an Gefühlen in mir gewesen sein mochte. „Könnte schon sein, dass ich damals einiges nicht richtig auf die Reihe bekommen habe.“, gab ich zögernd zu.
„Ich wunderte mich immer, warum deine Reaktionen auf mich so ungewöhnlich stark waren. Das konnte nicht nur Eifersucht sein. Es hätte sich sonst mit der Zeit gelegt. Vielleicht hättest du mich später immer noch abgelehnt, doch verprügelt oder auch nur angeschrieen hättest du mich nicht. Schließlich hat sich dein Verhältnis zu Robert ja schon seit Jahren ziemlich abgekühlt. Als du mir dann beim Tennis letzte Woche auch noch fast den Kiefer gebrochen hast, nur weil ich dir auf den Kopf zugesagt habe, dass du unsere Show vor der Disko geil fandest ... tja, da habe ich mir dann so meine Gedanken gemacht. Ist ja oft so, übertriebene Reaktionen bedeuten, dass man ins Schwarze getroffen hat, nicht wahr?“
„Kann schon sein.“, brummte ich.
Vielleicht hing man wirklich an bestimmten Lügen, dachte ich. Schließlich erfand sie das Unterbewusstsein, um sich zu schützen. Nein, nicht nur das Unterbewusstsein, es war wohl die Seele, die mit einigen Dingen nicht fertig wurde, und dann diesen Ausweg nahm.
Wie man es auch nennen wollte, wenn das stimmte, was James da sagte, und ich spürte immer deutlicher, er hatte recht, dann war es ja wohl wirklich nicht einfach, sich die beginnende sexuelle Zuneigung zu einem Jungen einzugestehen, den der Vater einem gerade als seinen frischgebackenen Bruder vorstellte. Ein Junge, allein schon deshalb tabu, weil er noch ein halbes Kind war. Es war verständlich, dass ich diese Gefühle gar nicht erst zuließ, sie einfach von mir schob, mit Lügen überdeckte, unsichtbar machte auch und vor allem für mich selbst. Bis die Zeit all das überwucherte.
Und das Unterbewusstsein hatte alles getan, damit die Dinge auch verschüttet blieben. Es war nur logisch, dass es äußerst empfindlich darauf reagierte, wenn jemand kam und alles wieder ans Licht zerren wollte. So konnte ich mir meine überzogenen Wutausbrüche wohl erklären.
Dennoch war es unbegreiflich, einfach unfassbar, dass es mir gelungen war, solche Gefühle zu verdrängen und aus Liebe Hass werden zu lassen, und das, ohne selbst überhaupt etwas davon mitzubekommen. Außer einem unbestimmten, unguten Gefühl im Bauch.
„Ich glaube, du hast wirklich recht. Ich gebe es nicht gern zu, aber ich hab mich wie ein Idiot benommen. Mir ist schlecht geworden, wenn ich dich herumturteln und knutschen sah.“
„Ha, da hast du es ja, das ist der Beweis, mein Lieber! Du warst eifersüchtig. Auf meine ‚kleinen Fundobjekte‘. Auch, wenn es dir nicht bewusst war, dein Magen hat es gemerkt. Und dann ist man auch einfach scheiß aufgeregt, wenn man verliebt ist und den anderen nicht anfassen darf. Das muss für deinen Magen die reinste Hölle gewesen sein. Die berühmten ‚Schmetterlinge im Bauch‘, sie lassen für Nahrung nicht mehr allzu viel Platz.“
„Stimmt, ich konnte einfach nichts mehr essen.“, gab ich zu. „Mir war ständig schlecht. Hab einiges abgenommen in der Zeit. Dachte schon, ich hätte mir irgendeine Krankheit eingefangen.“ „Und Ich kann mich erinnern, dass du damals in der Schweiz auch schon so dünn geworden bist.“ James lächelte spitzbübisch. “Tja, du warst eben ganz versessen auf mich, wenn ich das mal so ausdrücken darf.“ Er kicherte vor sich hin. Ein wenig stolz, stellte ich fest.
„Ich wusste eben nicht, wie sich das anfühlt ... tiefere Gefühle für jemanden zu hegen, meine ich. Schließlich war ich noch nie verliebt, zumindest nicht wissentlich.“ Ich musste grinsen. „Du hast noch nie jemanden geliebt? Auch Lisa nicht?“ Jetzt strahlte er übers ganze Gesicht. Seine Hand legte sich auf meinen Oberschenkel.
„Nein. Ich ahnte zwar, dass da etwas fehlte, aber ich mag Lisa, fühle mich wohl mit ihr. Ich hatte bisher noch nichts Vergleichbares empfunden und deshalb habe ich nicht nein gesagt, als wir überlegten, ob wir heiraten sollen.“
„Was hast du jetzt vor?“
„Was ich Lisa sagen will, meinst du?“
Er nickte.
„Keine Ahnung, ich glaube, ich

Weitere Kostenlose Bücher