Die Seidenbaronin (German Edition)
nicht ersichtlich gewesen, wie sie zu Thomas Cornelius stand. Gott möge mir verzeihen, was ich im Begriff bin zu tun, dachte Paulina und sagte: «Sie brauchen keine Sorge haben, Herr Cornelius. Fräulein von Ostry wird Ihren Antrag annehmen.»
Kronwyler war Geschäftsmann genug, um sofort zu begreifen, welch gutes Angebot Paulina ihm unterbreitete.
«Ihre Aktivitäten sind mir nicht verborgen geblieben, Madame», sagte er, als Paulina ihn in seinem Kontor aufsuchte, «und ich habe sie halb erstaunt, halb verärgert beobachtet. Es befremdet mich ein wenig, wie hartnäckig Sie Ihre Interessen verfolgen. Ich muss Ihnen jedoch zugestehen, dass Ihr Einfall, die französischen Kontakte Ihres Schwiegervaters zu nutzen, geradezu genial ist. Falls wir also über Ihre Verbindungen an französische Rohseide gelangen könnten, werden wir Ihnen den Fabrikmeister gerne überlassen. Weder von der Leyens noch wir können uns einen weiteren Produktionsstillstand leisten. Von Ostry würde sich zwar im Grab umdrehen, wenn er erführe, dass Cornelius nun doch seine Catherine bekommt, aber ich habe ehrlich gesagt nie so ganz verstanden, was er gegen den Jungen hatte …»
Paulina hörte ihm zufrieden zu. Sie hatte nicht erwartet, dass er so schnell zustimmen würde. Den Crefelder Fabrikanten musste das Wasser folglich bis zum Hals stehen, und das bestärkte sie in ihrem Glauben, dass in dieser Phase des Umbruchs der Zeitpunkt günstig war, auf die Herstellung neuer Produkte umzustellen.
«Es bleibt nur noch eine Frage», sagte sie. «Wie verfahren wir mit der Färberei?»
In dieser Angelegenheit zeigte sich Kronwyler weniger umgänglich. «Als ich dem Magistrat meine Petition über die Rückgabe der Färberei vorlegte, hoffte ich auf die Hilfe Ihres Gatten. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er diesbezüglich eigene Interessen hegte.»
«Pierre wusste nichts von meinen Plänen», versicherte Paulina.
Kronwyler betrachtete sie mit einem eigenartigen Blick. «Ihr Gatte und Sie haben eine merkwürdige Art, miteinander umzugehen. Und dennoch werden Sie am Ende gemeinsam erfolgreich sein. Ich für mein Teil ziehe es vor, mich an General Lefebvre zu wenden. Möge er entscheiden, was mit der Färberei geschieht.»
Sie einigten sich darauf, das Geschäftshaus gemeinsam zu nutzen, bis sich eine andere Lösung fand. Ein Treffen mit Heinrich Friedrich von der Leyen wurde verabredet, in dem die Modalitäten für die Lieferung der Rohseide besprochen werden sollten.
«Dafür dass wir einmal vereinbart haben, dass Sie mich nie wieder belästigen, kreuzen sich unsere Wege erstaunlich oft», meinte der Kaufmann zum Abschied. «Warum habe ich nur den Eindruck, dass dies vor allem zu Ihrem Vorteil sein wird?»
«Ich kann es nicht glauben!», tobte Catherine. «Sie haben tatsächlich eine Heirat zwischen Cornelius und mir arrangiert, ohne mich vorher zu fragen?»
Einen Augenblick lang dachte Paulina, ihre Schwägerin würde auf sie losgehen, so erzürnt war die junge Kaufmannstochter.
«Ich dachte immer, Sie wären meine Freundin!», schrie Catherine und fuchtelte wie wild mit den Armen herum. «Meine tiefsten Empfindungen habe ich Ihnen offenbart. Sie wissen, wie sehr ich mir einen Verehrer gewünscht habe, der mir den Hof macht, der mich mit romantischen Worten umgarnt. Und nun? Sie haben mich hemmungslos verkauft, um Ihre Interessen durchzusetzen. Sybilla hat völlig recht. Sie sind ein selbstsüchtiges Weib!»
Paulina, die froh war, dass sie Catherine endlich reinen Wein eingeschenkt hatte, blieb ungerührt. «Vergessen Sie bei all Ihren Vorwürfen nicht, dass ich dabei bin, das Unternehmen Ihres Vaters vor dem Untergang zu bewahren. So wie ich damals Ihren Bruder heiraten musste, um Erldyk zu retten, müssen Sie eben heute ein ähnliches Opfer bringen. Sie werden sehen, dass Cornelius ein ansehnlicher Herr ist, der einen guten Namen hat. Wer es so wie er von ganz unten nach oben geschafft hat, für den braucht man sich nicht zu schämen.»
«Er ist nichtsdestotrotz ein einfacher Arbeiter, und ich bin eine höhere Bürgerstochter. Mein Vater war über Cornelius’ Vermessenheit, mir den Hof machen zu wollen, so verärgert, dass er ihn aus seinen Diensten entlassen hat.»
«Hätte Ihr Vater nicht eine solche Arroganz besessen, wären wir jetzt nicht in dieser Zwangslage.»
Catherine bekam vor lauter Aufregung hektische rote Flecken im Gesicht. «Sie wissen doch, wie mein Vater war! Er hasste es, wenn er etwas nicht unter Kontrolle
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