Die Seidenbaronin (German Edition)
Optimisten klar, dass mit einer baldigen Rückgabe der linksrheinischen Gebiete an Preußen nicht zu rechnen war. In Crefeld begann man, sich auf eine länger dauernde Besatzung durch die Franzosen einzustellen.
Paulina erhielt über ihren Verwalter Kollwitz einen Brief von Christian. Er schrieb, dass die Truppen der hannoverschen Armee nach dem Friedensschluss ins Oldenburger Land verlegt worden seien und man ihm in Aussicht gestellt habe, endlich Urlaub nehmen zu können. Er wolle versuchen, im Herbst nach Boltenhusen zu kommen.
Einerseits sehnte Paulina das Wiedersehen mit Christian geradezu schmerzlich herbei. Sie wollte ihm endlich von seinen Kindern berichten und ihm gestehen, dass sie ihretwegen mit Pierre nach Crefeld gegangen war. Andererseits dachte sie an Karoline von Bahros Warnung. Während einiger Tage sann sie fieberhaft nach einer Möglichkeit, ein Treffen mit Christian zu arrangieren, ohne die Aufmerksamkeit ihrer mecklenburgischen Nachbarschaft und des Grafen Bahro zu erregen.
Schließlich kam ihr eine Idee.
Sie schickte eine Eilnachricht ins Feldlager nach Oldenburg. Darin schrieb sie Christian, dass sie vorhabe, ein paar Monate in ihrem Schloss in Westfalen zu verbringen. Sie werde in Blommersforst auf ihn warten.
In großer Eile bereitete Paulina ihre Abreise nach Westfalen vor. Im Oktober des Jahres 1795 machte Paulina sich mit ihren drei Kindern und einem Tross von Dienstpersonal auf den Weg nach Blommersforst. Vorsichtshalber schickte sie einen Diener zu Pferd voraus.
Damals war auch gut ein Jahr vergangen, als unser Wiedersehen stattfinden sollte, dachte Paulina während der Fahrt, die auf den vom Herbstwetter aufgeweichten Straßen unbequem und mühsam war. Energisch schob sie alle düsteren Vorahnungen beiseite. Sie schalt sich selbst eine Närrin, weil sie so abergläubisch war.
Kapitel 37
Loxten in Westfalen, November 1795
Seit geraumer Zeit schon harrte Paulina an der Wegkreuzung im Wald aus. Es war ein nebliger Morgen, und man konnte durch den trüben Dunst nur schemenhaft die umstehenden Bäume erkennen. An den kahlen Sträuchern hatten sich in der feuchten Luft Tropfen gebildet, die wie Perlen an den Ästen hingen. Ein Holzkreuz stand gleich einem Mahnmal am Wegesrand.
«Weißt du genau, dass der Herr Generalmajor hier vorbeikommt?», fragte Paulina die junge Magd, die sie geführt hatte.
Das Mädchen nickte eifrig mit dem Kopf. «Natürlich, gnädige Frau! Wenn der Herr Baron sich in Schloss Loxten aufhält, unternimmt er jeden Morgen einen Ritt durch diesen Teil des Parks.»
«Und du bist sicher, dass er nicht schon nach Hannover abgereist ist?»
Die Magd verzog das Gesicht. «Wenn Ihnen das Treffen mit Herrn von Hammerstein so wichtig ist – warum lassen Sie sich nicht einfach im Schloss melden, anstatt ihm klammheimlich im Wald aufzulauern?»
«Werd nicht frech! Schließlich habe ich dich gut bezahlt dafür, dass du mit mir hierhergefahren bist.»
Die Magd brummelte vor sich hin und zog ihren Umhang fester um sich. In der Ferne war das dumpfe Getrappel von Pferdehufen zu vernehmen.
«Hören Sie!», wisperte die Magd. «Das muss er sein!»
Aus dem dichten Nebel lösten sich die Umrisse eines Reiters, der mit hohem Tempo herangeprescht kam. Paulina trat ihm beherzt in den Weg, worauf er sein Pferd zügelte und es kurz vor ihr zum Stehen brachte. Die Uniform des hannoverschen Regiments, der federgeschmückte Dreispitz und die schwarzen Stiefel ließen darauf schließen, dass es sich tatsächlich um den erwarteten Generalmajor von Hammerstein handelte.
«Kann ich der gnädigen Frau behilflich sein?», fragte er mit einer tiefen, sonoren Stimme. Sein Pferd, ein feuriger Brauner, kaute wie wild auf der Trense und tänzelte unruhig hin und her.
Paulina musterte den Generalmajor erstaunt. Sie hatte einen Mann mittleren Alters erwartet und war nicht darauf gefasst, dass der schneidige Reiter, der frühmorgens wie ein junger Gott durch seinen Park galoppierte, sich als älterer Herr entpuppte.
«Generalmajor Baron von Hammerstein?», fragte sie.
«Zu Diensten, gnädige Frau», antwortete der Baron und verbeugte sich galant. «Und mit wem habe ich das Vergnügen?»
«Ich bin Paulina von Ostry, eine Verwandte der Baronin Herrenheim», stellte die junge Frau sich vor.
«Herrenheim?» Der Generalmajor zuckte zusammen. «Ich war immer in dem Glauben, dass die Linie der Herrenheims nach dem Tod der alten Baronin ausgestorben sei.»
«Ich bin die letzte Nachkommin ihres
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