Die Seidenbaronin (German Edition)
Gewissheit geworden: Der französische Kaiser und der preußische König hegen eine große Abneigung gegeneinander. Nicht eben gute Voraussetzungen …»
«Und in dieser schier aussichtslosen Lage haben Sie daran gedacht, Königin Luise gleichsam als Wunderwaffe einzusetzen. Halten Sie es wirklich für einen guten Einfall, dort, wo die Diplomatie versagt, eine Frau ins Spiel zu bringen, die von Napoleon aufs schmählichste verunglimpft wurde?»
Von Hardenberg seufzte tief. «Der Kaiser bedauert diese unglücklichen Veröffentlichungen mittlerweile. Allerdings kann ich ihn schlecht einschätzen. Meint er wirklich, was er sagt? Deshalb habe ich Sie rufen lassen, Madame. Man berichtete mir von Ihrer Intervention im Pariser Senat kurz vor der Kaiserkrönung. Sie konnten Napoleon damals für sich gewinnen.»
«Ich konnte den Senat für mich gewinnen», berichtigte Paulina.
«Aber ist der Senat nicht Napoleon?», wandte von Hardenberg ein.
«Darüber werde ich mir kein Urteil anmaßen, Herr Minister. Ich bin jedoch sicher, dass die Zustimmung des Senats sich mit den Interessen des Kaisers deckte. Letztere gingen allerdings über den rein geschäftlichen Aspekt hinaus. Man kann es auch anders ausdrücken: Mir zu gewähren, was ich wollte, ermöglichte ihm, mich in der Hand zu haben.»
«Sie meinen also, Napoleon zeigt sich entgegenkommend, vielleicht sogar nachgiebig, und hat am Ende nur seine eigenen Interessen im Sinn?», folgerte von Hardenberg.
«Das ist meine Erfahrung mit ihm», bestätigte Paulina. «Napoleon verfügt über einen scharfen Verstand und ist schwer zu durchschauen. Man braucht eine starke Persönlichkeit, um ihm zu trotzen. Ich würde mir an Ihrer Stelle genau überlegen, ob man Ihrer Majestät zumuten sollte, sich mit ihm zu messen.»
Der Staatsminister sah Paulina beeindruckt an. «Klare Worte, Madame! Sie sind jedoch nicht angetan, zu meiner Beruhigung beizutragen. Wenn ich es richtig deute, ist Napoleon ein Mann, der gerne die völlige Kontrolle besitzt.»
«Man fragt sich unwillkürlich, was besser ist», sagte Paulina sibyllinisch. «Ein Regent, der die völlige Kontrolle hat», sie strich über die Uniform, die Friedrich Wilhelm hatte entwerfen lassen, «oder einer, der gar keine Kontrolle hat.»
Als Paulina aus dem Schulhaus trat, schaute sie sich nach Tifflick um, doch von dem jungen Offizier war weit und breit nichts zu sehen. Rasch kletterte sie in ihre Kutsche, die vor der Tür wartete.
«Bringen Sie mich zu meiner Unterkunft!», rief sie ihrem Kutscher beim Einsteigen zu.
Erschrocken hielt sie inne. Auf der Bank im Wagen saß Christian und blickte ihr mit ernster Miene entgegen. Sie merkte, dass sie plötzlich weiche Knie bekam.
«Setzen Sie sich, Madame», sagte er. «Ich werde Sie zu Ihrer Herberge begleiten.»
Christian trug nun seine Uniform, die er während der Reise nach Paris gegen den einfachen Anzug eines Händlers getauscht hatte, um nicht als preußischer Offizier erkannt zu werden.
Der König sollte ihn als Modell für seine Entwürfe nehmen, dachte Paulina unwillkürlich und konnte nicht anders, als den Hauptmann voller Bewunderung zu betrachten.
Franz trieb die Pferde an, und der Wagen setzte sich langsam in Bewegung. Paulina erhaschte einen letzten Blick auf von Hardenberg, der nachdenklich hinter einem der Fenster des Schulhauses stand.
Christian so nah bei sich zu wissen, verwirrte sie mehr, als ihr lieb war. Zum ersten Mal seit jenem Abend in Paris war sie wieder mit ihm alleine. Während der Reise nach Ostpreußen hatte sie ihn tagsüber nur mit starrer Miene neben der Kutsche her reiten sehen. Abends in den Herbergen war er ihr aus dem Weg gegangen, und ihre Gespräche hatten sich auf das Notwendigste beschränkt.
Er schien kaum Schlaf zu brauchen. Wenn sie, die selbst Frühaufsteherin war, nach einer dieser grässlichen Nächte aus ihrer schäbigen Herbergskammer getreten war, hatte er in der Wirtsstube schon über einem Stoß von Papieren gesessen.
«Sie hätten sich nicht die Mühe machen müssen zu kommen», sagte Paulina. «Ich bin durchaus in der Lage, für mich selbst zu sorgen.»
«Das glaube ich Ihnen gerne», antwortete Christian. «Ich will Sie nicht mehr als nötig beunruhigen, aber man lebt in diesen Zeiten nicht ganz ungefährlich.»
«Wurde nicht ein Waffenstillstand geschlossen?»
«Das ist richtig. Aber bis der Friedensvertrag ausgehandelt ist, traut keiner dem anderen. Jeder hat Angst, dass er hintergangen wird. Von Hardenberg
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