Die Seidenbaronin (German Edition)
beten will, soll gefälligst in die Kirche gehen!»
«Gnädiger Herr, Sie wissen nicht, was Sie sagen!», begehrte der Pastor auf.
«Noch weiß ich ganz genau, was ich sage! Falls mein Fräulein Tochter göttlichen Beistand braucht, überlasse ich sie dir gerne, Pfaffe! Du kannst sie ja in deine Kirche stecken, da wird man ihr wenigstens ihre Schamlosigkeit austreiben.» Er begann, nervös im Zimmer umherzugehen. «Wo hat diese idiotische Alte nur die Vorräte hingestellt?»
«Johanna ist noch nicht aus dem Dorf zurück», bemerkte Paulina trocken.
Jobst blickte verstört auf. «Die alte Megäre ist noch gar nicht zurück? Wie lange braucht sie denn für das kurze Stück Weg?»
«Es ist immerhin eine halbe Meile bis ins Dorf, und Johanna ist nicht mehr die Jüngste. Zudem hat sie wohl nicht nur Lebensmittel, sondern vor allem Ihre Branntweinflaschen zu tragen.»
«Diese Alte hat nichts anderes verdient, als meinen Branntwein zu schleppen!», tobte Jobst von Gralitz. «Der Teufel soll sie holen, wenn sie nicht bald hier auftaucht! Und du, Pfaffe, mach, dass du fortkommst! Es gibt hier niemanden zu bekehren!»
«Sie sollten vor Ihrer Tochter nicht solch blasphemische Worte in den Mund nehmen, Herr Baron», wandte der Pastor ein.
Jobst von Gralitz’ Mund verzog sich zu einem bösen Grinsen. «Als ob das diesem verdorbenen Weib etwas ausmachen würde!»
«Das Mädchen ist genauso unschuldig wie unsere Jungfrau Maria!», erwiderte der Pastor unerwartet heftig. «Ich kann Ihnen versichern, dass Ihre Tochter keinerlei Verfehlungen begangen hat.»
«So, du kannst es mir versichern!», äffte der Baron ihn nach. «Du wirst mir doch nicht erzählen, Pfaffe, dass du dich persönlich davon überzeugt hast, dass meine Tochter …» Er wollte sich ausschütten vor Lachen.
Der Pastor starrte ihn ungläubig an und begriff erst allmählich, was der Baron ihm da unterstellt hatte. Paulina, die die dunklen Gedankengänge ihres Vaters mittlerweile besser kannte, zupfte an seinem Gewand. «Kommen Sie, Herr Pastor, es hat keinen Sinn, weiter mit ihm zu reden.»
Betroffen folgte der Geistliche Paulina aus dem Zimmer.
«Johanna!», schrie der Baron. «Bist du endlich da? Bring mir sofort etwas zum Trinken, sonst drehe ich dir den Hals um!»
Während sie die Treppe hinuntergingen, streifte Paulina den Pastor mit einem verlegenen Seitenblick und fragte sich, ob ihn sein Studium wohl auf derartige menschliche Abgründe vorbereitet hatte. Er gewann jedoch schnell seine Fassung wieder.
Als sie sich in der tristen Eingangshalle gegenüberstanden, um sich zu verabschieden, fragte er mitleidig: «Kann ich irgendetwas für Sie tun, meine Tochter?»
Paulina zog drei Briefe aus ihrem Rock, die sie in den letzten Tagen verfasst hatte. Sie reichte sie dem Pastor.
«Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie dafür sorgen könnten, dass diese Schreiben der Post übergeben werden.»
Das Geräusch von zerbrechendem Glas und der gellende Schrei einer Frau ließen Paulina in das Zimmer eilen, das man in Erldyk als Salon benutzte.
«Ich werde dich lehren, die Zimperliche zu spielen, du Dirne!», brüllte Jobst von Gralitz in dem Moment, als sie ohne anzuklopfen die Tür aufriss und hineinstürmte.
Beim Anblick der Szene, die sich vor ihren Augen abspielte, wich sie entsetzt zurück. Auf dem Teppich vor dem Kamin lag ein junges Mädchen, fast noch ein Kind. Sein Rock war hochgezogen und legte ein paar weiße, dralle Schenkel frei. Auf ihm hockte rittlings Jobst von Gralitz und hatte soeben das Hemd der Kleinen zerrissen und ihre Brüste entblößt. Tränen liefen ihr über das Gesicht, und sie schluchzte herzzerreißend. Vor der Wand lagen die Scherben einer Weinflasche.
Mit irrem Blick drehte Jobst von Gralitz sich zu Paulina um. Zornesröte stieg ihm ins Gesicht.
«Ich hätte mir denken können, dass nur du so unverschämt sein würdest, mich zu stören! Habe ich es nicht schon immer gesagt, dass du die Verdorbenheit in Person bist?»
«Lassen Sie sofort das Mädchen los!», forderte Paulina ihn auf.
Jobst von Gralitz war so verblüfft, dass er von dem armen Ding abließ. Langsam richtete er sich auf und versetzte dem Mädchen einen Tritt. Die Kleine schrie auf, zog die Fetzen ihres Hemdes vor den Busen und kroch wie ein verschrecktes Tier zurück. Der Baron kam mit gefährlicher Ruhe auf Paulina zu.
«Du wagst es wirklich, mir Befehle zu erteilen? Glaubst du, ich lasse mir von dir das letzte Vergnügen nehmen, das ich noch
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