Die Seidenbaronin (German Edition)
habe?»
«Was hat das mit Vergnügen zu tun?», erwiderte Paulina. «Die Kleine sieht nicht so aus, als hätte sie Spaß an dem, was Sie mit ihr treiben!»
«Dieses Weibsbild soll keinen Spaß haben, es soll mir zu Willen sein!»
«Nun, mir hat man beigebracht, dass dieser Akt das Einverständnis beider Seiten voraussetzt.»
«So, das hat man dir also beigebracht! Es mag ja sein, dass es in deinen höfischen Kreisen so gehandhabt wird. In Erldyk jedoch wird gemacht, was ich will! Und wenn mich nach einem von diesen Ludern gelüstet, dann haben sie mir gefälligst zu gehorchen.»
Paulina sah zu der Kleinen, die völlig verängstigt an der Wand kauerte und sie flehentlich anblickte. Sie konnte das arme Ding unmöglich ihrem brutalen Vater überlassen.
«Das Mädchen wird jetzt ins Dorf zurückgehen», sagte Paulina bestimmt. «Da holst du sie doch her, deine kleinen Vergnügungen, nicht wahr?» Ohne die Augen von ihrem Vater zu wenden, streckte sie die Hand nach der Kleinen aus. «Komm, ich werde dich von hier fortbringen.»
Das Mädchen machte eilig Anstalten aufzustehen.
«Du bleibst hier, du Dirne!», donnerte Jobst von Gralitz.
Die Kleine hielt verschreckt inne, sehnsüchtig auf Paulinas dargebotene Hand starrend. Der Baron war mit zwei Schritten bei ihr und zog sie grob an sich. Wie ein Wahnsinniger drückte er ihre Arme herunter, mit denen sie sich zu bedecken versuchte.
«Nun lass endlich sehen, was du da für Schätze verbirgst!», keuchte er und grapschte lüstern nach ihr.
Paulina machte einen Satz nach vorne und warf sich zwischen die beiden. Ihr Vater war so überrascht, dass er sich ohne Widerstand von dem Mädchen trennen ließ.
«Lauf schnell!», rief Paulina der Kleinen zu, die sich jammernd aufraffte und aus dem Zimmer stolperte.
«Du unselige Närrin!», brüllte Jobst von Gralitz außer sich vor Wut und baute sich drohend vor seiner Tochter auf. «Du wirst nicht allen Ernstes glauben, dass du damit ungestraft davonkommst!»
Paulina sah, dass er seinen Arm hob und weit ausholte. Im nächsten Moment würde seine Hand auf sie niedersausen, und sie mochte sich nicht ausmalen, mit was für einer Wucht der Schlag sie treffen würde.
Ihr Blick fiel auf einen tönernen Krug, der auf dem Kaminsims stand. Sie sprang zur Seite, griff nach dem Gefäß und hielt es wie einen Schutzschild vor sich.
«Wenn Sie auch nur einen Schritt näher kommen, werde ich Ihnen diesen Krug über den Kopf hauen!», rief sie in wilder Entschlossenheit und funkelte ihren Vater zornig an.
Jobst von Gralitz brach in ein teuflisches Lachen aus.
«Sieh an! Meine kleine Tochter als unerschrockene Kriegerin!» Mit weit aufgerissenen, furchteinflößenden Augen setzte er sich in Bewegung. «Huh, ich habe solche Angst vor dir …!»
Plötzlich klappte er wie von einem Schuss getroffen zusammen. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, und er griff mit der Hand an seine Brust. Nach ein paar krampfhaften Zuckungen fing er an, wie wild zu husten. Er hustete und hustete und hörte nicht mehr auf. Schließlich sank er vor lauter Erschöpfung zu Boden.
Ohne sich zu rühren, sah Paulina zu, wie er sich qualvoll auf dem Teppich wand.
«Wagen Sie es nicht, jemals die Hand gegen mich zu erheben!», sagte sie mit verächtlicher Stimme. «Ich wäre imstande, mich zu vergessen!»
Sie drehte sich um und verließ den Salon. Mit regungsloser Miene ging sie an Johanna vorbei, die ihr auf der Treppe entgegenkam.
Unten in der Halle stand noch das Mädchen. Es zitterte vor Angst und schluchzte hemmungslos.
«Warum bist du noch nicht fort?», fragte Paulina.
Tränen kullerten über die Wangen der Kleinen. «Wird der Herr Baron sterben?»
«Nun sag bloß, du hast auch noch Mitleid mit ihm?», rief Paulina entgeistert.
Als sie das Mädchen durch das Herbstlaub davongehen sah, war sie zutiefst überzeugt, dass sie es nicht einen Tag länger in Erldyk aushalten würde.
Drei endlose Wochen später kam der Pastor erneut zum Schloss und brachte Paulina die Antworten auf die drei Briefe, die sie ihm anvertraut hatte.
Der Baron Dornfeld schrieb in wenigen Zeilen, dass er nicht über die Möglichkeit verfüge, Paulina Geld zu schicken, da er selbst keines besitze. Außerdem sei er nicht länger bereit, für ihr Leben aufzukommen, und das solle von nun ab ihr Vater übernehmen.
Aus Frankfurt kam eine Nachricht des fürstlichen Oberhofmarschalls. Das Haus Thurn und Taxis werde das ungebührliche Verhalten der Baroness von Gralitz nicht
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