Die Seidenbaronin (German Edition)
Ihnen doch, dass ich die Tochter des Barons von Gralitz holen lasse. Ihretwegen sind Sie hier, wenn ich Sie daran erinnern darf.»
«Natürlich … Es ist nur … ich war nicht darauf vorbereitet, dass …»
«Die Verwunderung dieses Herrn bezieht sich wahrscheinlich auf meine Ähnlichkeit mit Antonia, der verstorbenen Gattin des letzten Reichsbarons», kam Paulina dem Gast zu Hilfe. «Es ist nicht das erste Mal, dass ich deswegen für Verwirrung sorge.»
«Nun, dann wollen wir die Verwirrung nicht zu weit treiben und wenigstens die einfachsten Regeln des Anstands beachten», sagte von Ostry. «Darf ich Ihnen Herrn Kollwitz, den Verwalter von Boltenhusen, vorstellen, Madame?»
Der weißhaarige Herr schüttelte immer noch ungläubig den Kopf. «Es ist wirklich erstaunlich. Ich kenne die Baronin nur von einem Gemälde und dachte eben, eine Tote sei auferstanden.»
Von Ostry verzog gereizt den Mund. «Nachdem das nun geklärt ist, sollten wir uns wieder den irdischen Dingen zuwenden. Sie waren also bereits in Schloss Erldyk?»
«Ja», antwortete der Gast mit finsterer Miene. «Immerhin wird dieser Mensch, der dort haust, den Baron von Gralitz-Boltenhusen beerben. Nicht einmal die einfachsten Gebote der Gastlichkeit hat er befolgt. Es war ihm völlig gleichgültig, dass ich nur seinetwegen die lange Reise von Mecklenburg unternommen habe. Ihn interessiere weder ein Gut in Mecklenburg noch sonst irgendwo, ließ er mir durch diese alte Megäre ausrichten, die für ihn sorgt. Und ich solle mich gefälligst an seine Tochter wenden, die sich nach Crefeld verheiratet habe. Anstatt mir eine Mahlzeit und ein Bett anzubieten, schickte die Alte mich wieder fort!»
«Sie können sich schon glücklich schätzen, dass Ihnen überhaupt die Tür geöffnet wurde», sagte von Ostry.
Der Gast rieb sich müde die Stirn. «Wenn ich das alles gewusst hätte! Der alte Baron war ein so feiner Herr, auch wenn er in den letzten Jahren nicht mehr ganz bei Sinnen war. Gott sei gelobt, dass er nicht erfahren musste, was Jobst aus Schloss Erldyk gemacht hat.»
«Dann kann ich Ihnen die erfreuliche Nachricht verkünden, dass ich plane, das Schloss wieder instand zu setzen.»
Kollwitz stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. «Was für ein Glück, dass Ihr Sohn die Baroness von Gralitz zur Gemahlin genommen hat! Ich gehe davon aus, dass Sie der jungen Dame bei der Verwaltung der Güter behilflich sein werden?»
«Dessen können Sie versichert sein.»
«Es ist nämlich so: Im Falle, dass Jobst von Gralitz verstirbt, gehen die Güter des alten Barons in die alleinigen Hände der gnädigen Frau von Ostry über, seiner letzten Nachkommin. So sieht es die Erbfolgeregelung der Familie Gralitz vor. Ihr Ehegatte hingegen erhält keinerlei Rechte an dem Besitz. Erst ihre leiblichen Kinder, so sie denn welche bekommt, wären wieder erbberechtigt.»
Paulina warf einen raschen Blick auf von Ostry. Seine erschütterte Miene gab ihr Gewissheit – er hatte von dieser Verfügung des alten Reichsbarons nichts gewusst. Sie würde also die alleinige Entscheidungsgewalt über Erldyk, Boltenhusen und das Gut im Westfälischen haben. Bei dem Gedanken, dass der ausgekochte Handel ihres Schwiegervaters damit hinfällig war, musste sie innerlich lächeln.
«Wie soll mit Boltenhusen verfahren werden?», wandte sich Kollwitz an Paulina. «Außer meiner Wenigkeit lebt dort niemand mehr. Und ich bewohne nicht das Schloss, sondern das Pförtnerhaus. Auch Gut Blommersforst bei Lippstadt in Westfalen wurde bisher von einem Verwalter betreut. Soll dort alles beim Alten bleiben?»
«Muss das nicht mein Vater entscheiden?», fragte Paulina.
«Ihr Vater?», rief Kollwitz entsetzt. «Nachdem ich Erldyk gesehen habe, befürchte ich, dass Boltenhusen und Blommersforst das gleiche Schicksal ereilen könnte. Offenbar ist Jobst von Gralitz nicht in der Lage, irgendetwas zu entscheiden. Er hat Sie ermächtigt, die Verwaltung an seiner Stelle zu übernehmen.»
«Ich soll über die Güter bestimmen?» Paulina machte eine Pause, in der es im Kontor totenstill wurde. Kollwitz blickte sie erwartungsvoll an, während von Ostry mit steinerner Miene vor sich hin starrte. «Nun, dann nehmen Sie bitte Folgendes zur Kenntnis!», fuhr die junge Frau schließlich fort. «Sowohl in Boltenhusen als auch in Blommersforst möge vorläufig alles so bleiben, wie es ist. Sie werden mir eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben machen, Herr Kollwitz. Sowohl Sie als auch der Verwalter von
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