Die Seidenbaronin (German Edition)
Salon zurück, in dem sie mit Vorliebe ganze Nachmittage damit verbrachten, so manch kurzweiliges Thema zu erörtern.
«Dieses Spiel aus Regensburg scheint ausgesprochen amüsant zu sein», meinte Catherine aufgeregt, als die beiden jungen Frauen nebeneinander auf dem Sofa im Salon saßen und ihre Köpfe zusammensteckten. «Auch wenn die Zusammensetzung der Gäste nicht gerade großen Einfallsreichtum erwarten lässt.»
«Höre ich aus Ihren Worten eine gewisse Bitterkeit heraus?», fragte Paulina.
Catherine seufzte herzzerreißend. «Finden Sie nicht, dass unserer Gästeliste ein wenig frisches Blut fehlt? Unter den Eingeladenen wird außer meinen Brüdern nicht ein einziger junger Mann sein.»
«Nun, ich bin zwar noch nicht lange in Crefeld, aber ich habe immerhin bemerkt, dass es neben diesen geschäftstüchtigen Mennoniten nicht allzu viele Herren gibt, die im heiratsfähigen Alter und reformierten Glaubens sind.»
«Genau genommen ist Terbrüggen der Einzige.»
«Terbrüggen? Käme er denn in Frage?»
Catherine verzog das Gesicht. «Aber nein! Erstens würde mein Vater einer Verbindung mit ihm niemals zustimmen, da ich in ein Unternehmen einheiraten würde, das durch Verschulden des alten Terbrüggen kurz vor dem Ruin steht. Und zweitens ist der junge Terbrüggen ein sonderbarer Mensch. Irgendetwas an ihm gefällt mir nicht.»
«Diesen Eindruck habe ich auch», sagte Paulina. «Zudem ist er der Einzige in Crefeld, der mir mit offenkundiger Feindseligkeit begegnet. Ich habe bis heute nicht herausgefunden, warum.»
«Er äußerte einmal, dass Frauen wie Sie ihm nicht behagen würden, da sie nicht in diese Stadt passten. Vielleicht gönnt er Ihnen Ihre Heirat nicht. Aber grämen Sie sich nicht! Terbrüggen war schon immer so. Glücklicherweise spielt seine Familie in Crefeld keine große Rolle.»
«Verschwenden wir also keinen weiteren Gedanken an ihn», meinte Paulina und tätschelte ihrer Schwägerin den Arm. «Ihnen wird Ihr Traumprinz schon noch über den Weg laufen, meine Liebe.»
Catherine lehnte sich vertrauensselig an sie.
«Ich hoffe, ich werde einmal so verliebt sein, wie Sie und Pierre es sind», sagte sie schwärmerisch, und das Leuchten in ihren Augen gab ihren herben Zügen etwas Anmutiges.
Paulina lächelte versonnen vor sich hin. Verliebt – in Pierre? Nun ja, zugegebenermaßen übte er eine gewisse körperliche Anziehungskraft auf sie aus, und sie hatte ihn gerne um sich, aber verliebt würde sie das nun wirklich nicht nennen.
Und wieder einmal kehrten ihre Gedanken zu dem einen Tag zurück, der für sie der bisher schönste ihres Lebens gewesen war. Damals, ja damals war sie verliebt gewesen. Sie dachte an die Gondelfahrt und an die rauschende Ballnacht, die, wenn es nach ihr gegangen wäre, nie hätte vergehen dürfen. Vielleicht hatte der drohende Abschied diesen Abend so einmalig gemacht, vielleicht würde ihr Christian von Bahro heute gar nicht mehr als der Mann ihres Herzens erscheinen, vielleicht hatte sie diese Liebe viel zu sehr verklärt.
Vielleicht, vielleicht, vielleicht …
«So glücklich kann man nur aussehen, wenn man verliebt ist», sagte Catherine pathetisch in ihre Träumereien hinein.
Paulina kehrte jäh in ihren biederen Crefelder Alltag zurück. Sie gab ihrer Schwägerin einen freundschaftlichen Knuff.
«Wenn Sie es sagen, muss es ja wohl stimmen.»
Die beiden jungen Frauen sahen sich an und brachen in fröhliches Gelächter aus.
Der Mann war mit Staub bedeckt. Augenscheinlich am Ende seiner Kräfte, saß er mit müdem Blick und hängenden Schultern auf seinem Stuhl. Seit Tagen habe er weder etwas Ordentliches gegessen noch in einem sauberen Bett geschlafen, beklagte er sich gerade bei von Ostry, als Paulina das Kontor betrat.
Seit jenem Tag, an dem der Kaufmann ihr die Hintergründe ihres Arrangements erläutert hatte, war sie nicht mehr in diesen Räumen gewesen. Deshalb hatte sie seiner Aufforderung, ihn unverzüglich in seinem Geschäftshaus aufzusuchen, erstaunt Folge geleistet.
Bei Paulinas Erscheinen sprang der Gast von seinem Stuhl auf.
«Herr im Himmel!», rief er, und seine Müdigkeit schien wie weggeblasen. «Das ist ja kaum zu glauben!»
Er musste etwa um die sechzig Jahre alt sein, und sein Haar war schlohweiß.
«Darf ich fragen, wovon Sie reden?», fragte von Ostry.
«Die junge Dame … nun, sie ist unverkennbar die Urenkelin unserer guten Baronin», sagte der Gast.
«Wer soll sie denn sonst sein!», meinte von Ostry. «Ich sagte
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