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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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im Wagen begegneten.
    «Das dürfte etwas schwierig werden», meinte Paulina. «Immerhin bin ich seinerzeit in Ungnade gefallen. Ich glaube kaum, dass Luise mich empfangen würde. Sie ist jetzt Kronprinzessin und wird sich keine Skandale erlauben können. Mir genügt es einstweilen zu hören, was man sich allerorten über sie erzählt.»
    «Und es reizt Sie gar nicht, ein wenig Hofluft zu schnuppern?»
    «Überhaupt nicht. Der einzige Grund, eine Verbindung zum preußischen Hof anzustreben, wäre der Vorteil, den man dadurch für unser Seidenunternehmen erwirken könnte.»
    Pierre rollte die Augen. «Sie denken doch wohl an einem solchen Abend nicht an die Seidenfabrikation! Auch wenn ich Ihnen wirklich dankbar bin, dass Sie damals für meinen unfähigen Bruder die Kohlen aus dem Feuer geholt haben, finde ich noch lange nicht, dass Sie die erste Seidenfabrikantin von Crefeld werden sollten.»
    Beim Eintreffen im Theater stürzte Pierre sich sofort ins Getümmel. Er entdeckte eine Gruppe junger Offiziere und zog Paulina durch die Menge der Theatergäste hinter sich her auf die Herren zu. Mit großer Begeisterung wurde er begrüßt. Nachdem er seine Gattin vorgestellt hatte, riss er mit gewohntem Charme die Unterhaltung an sich.
    Paulina merkte, dass einer der Offiziere sie mit unverhohlenem Interesse anstarrte. Was nahm sich dieser Flegel heraus, in Gegenwart von Pierre ein solches Benehmen an den Tag zu legen? Sie sah zu ihrem Gemahl, doch der beachtete die Peinlichkeit nicht einmal.
    Der allgemeine Aufbruch zu den Plätzen enthob sie der Notwendigkeit, den unverschämten Kerl in seine Schranken zu weisen.
    «Stört es Sie eigentlich nicht, wenn mich Ihr Offiziersfreund förmlich mit seinen Blicken entkleidet?», flüsterte Paulina ihrem Gatten zu, als sie sich auf ihren Sitzen niedergelassen hatten.
    Pierres Augen wanderten im Theatersaal umher. «Warum sollte es mich stören?»
    «Verspüren Sie überhaupt keine Eifersucht?», beharrte Paulina.
    «Eifersucht? Dieses kleinkarierte Gefühl kenne ich glücklicherweise nicht. Wenn ich Sie daran erinnern darf, meine Liebe, ist unsere Ehe ein Handel, obwohl wir beide gottlob auch ein wenig Spaß haben. Man sollte es allerdings nicht so weit kommen lassen, dass eine gewisse Eintönigkeit einkehrt. Wenn Ihnen der kleine Offizier also gefällt …» Er hob die Hand und schickte einen stummen Gruß zu einem Bekannten, den er in der Menge entdeckt hatte.
    Paulina hätte ihm am liebsten vor der versammelten Theatergesellschaft eine Ohrfeige verpasst. Doch bevor sie Gefahr laufen konnte, diesem Verlangen tatsächlich nachzugeben, ertönte plötzlich ein majestätischer Tusch. Es wurde still im Saal, und die Zuschauer erhoben sich. Die unteren Reihen, zu denen auch Paulina und Pierre gehörten, wandten sich um und blickten zur Königsloge hinauf. Paulina hielt den Atem an.
    Zwei junge Paare erschienen auf der Empore. Eingerahmt von den beiden Herren traten Luise und Friederike an die Brüstung und winkten dezent. Mit ihren feinen, weißen Gesichtern und dem lockigen, blonden Haar sahen sie aus wie Engel.
    «Was für prachtvolle Weiber!», flüsterte Pierre seiner Gattin zu. «Mir gefällt die Linke am besten, sie hat einen besonderen Charme und scheint koketter zu sein.»
    «Das ist Friederike», gab Paulina zurück. «Sie wollte schon früher immer jedem gefallen.»
    «Nun, zu Friedrich Wilhelm dürfte die andere besser passen. Er soll ein wenig zur Melancholie neigen. Jedenfalls hat er so gar nichts von seinem Vater, diesem Schwerenöter, vor dem kein Frauenrock sicher ist.»
    «Reden Sie nicht so abfällig über Ihren König!», zischte Paulina.
    «Ich sage nur die Wahrheit», erwiderte Pierre lachend.
    Paulina betrachtete die beiden Prinzen. Friedrich Wilhelm, der Thronerbe, war ein ernster junger Mann, der seiner Gattin Luise immer wieder liebevolle Blicke zuwarf. Sein Bruder Louis hatte hübsche, fast mädchenhafte Züge und einen leicht verschlagenen Gesichtsausdruck. Fast schon beleidigend gelangweilt stand er neben Friederike, die er immerhin erst zwei Monate zuvor geheiratet hatte. Er stand im Ruf, trotz seiner jungen Jahre schon eine Mätresse zu haben.
    Das Publikum verneigte sich vor den Prinzenpaaren, die sich daraufhin niedersetzten. Geräuschvoll nahmen auch die übrigen Theatergäste ihre Plätze ein.
    Paulina sah, wie Luise ihren Blick über die Zuschauerreihen gleiten ließ. Keine sechs Jahre war es her, dass sie als junge Mädchen miteinander gespielt,

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