Die Seidenbaronin (German Edition)
gelernt und gefeiert hatten. Luise war von den drei Mecklenburger Prinzessinnen die unbegabteste gewesen. Dem Unterricht hatte sie oft nur schwer folgen können. Mit ihrem heiteren und ungezwungenen Naturell hatte sie aber jeden für sich eingenommen. Ihre Schwestern mochten um einiges ehrgeiziger sein als sie, doch am Ende war es Luise, die Königin werden würde.
In diesem Augenblick neigte Friedrich Wilhelm sich seiner Gattin zu und raunte ihr etwas ins Ohr. Luise lauschte ihm mit freudiger Miene, dabei umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Als der Kronprinz aufhörte zu sprechen, blickte sie ihn zärtlich an.
Und sie ist die einzige der Schwestern, die in ihren Gatten verliebt ist, dachte Paulina.
Im Saal ging das Licht aus. Das Bild des glücklichen Kronprinzenpaares vor Augen, wandte Paulina sich um und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Bühne. Das Theaterstück begann.
«Eine Dame des Hofes hat mich eben angesprochen!»
Mit diesen Worten gesellte sich Pierre höchst aufgeregt zu seiner Gattin, die sich in der Pause im Foyer die Beine vertrat.
«Sie wollte genau wissen, wer wir sind, woher wir kommen und was wir in Berlin machen. Ich sage Ihnen, Madame, man ist auf uns aufmerksam geworden. Es würde mich nicht wundern, wenn wir demnächst eine Einladung erhielten, uns bei Hofe vorzustellen.»
«Ich habe aber vor, so bald wie möglich nach Mecklenburg zu reisen», erwiderte Paulina.
«Müssen wir denn ausgerechnet jetzt nach Mecklenburg fahren?», nörgelte Pierre. «Wir haben doch einen Verwalter, der sich um alles kümmert. Ganz sicher werden wir uns furchtbar langweilen dort in der hintersten Provinz!»
«Ich werde nicht wegen Ihrer Vergnügungssucht all unsere Pläne über den Haufen werfen!», entgegnete Paulina heftig.
Pierre stieß sie unsanft in die Seite. «Heben Sie sich Ihre albernen Vorwürfe für später auf, wenn wir alleine sind! Man beobachtet uns schon. Ich möchte nicht als Trottel dastehen, der seine ehelichen Streitigkeiten in aller Öffentlichkeit austrägt.»
«Sonst sind Sie doch auch nicht so um Ihren Ruf besorgt!», fauchte Paulina ihn an, machte auf dem Absatz kehrt und ließ ihn zur Belustigung der anderen Theatergäste stehen.
Wütend verließ sie das Foyer. Am liebsten wäre sie sofort zurück zum Gasthof gegangen. Gleich morgen würde sie Anweisung geben, ihre Sachen zu packen. Sie waren ohnehin schon viel länger in Berlin geblieben als geplant. Conrad von Ostry würde alles andere als erfreut sein, wenn er erführe, dass sein Sohn die Salons von Berlin unsicher machte, anstatt sich wie vereinbart um Boltenhusen zu kümmern.
Eben wollte sie nach draußen gehen, um in der kalten Nachtluft ihr erhitztes Gemüt abzukühlen, als sich von der Seite eiligen Schrittes eine ältere Dame mit strengen Gesichtszügen näherte und ihr in den Weg trat. «Madame, würden Sie mir ein paar Sekunden Ihrer Zeit widmen?»
Paulina blieb überrascht stehen. Die als Bitte formulierte Frage hatte eher wie ein Befehl geklungen. «Um was handelt es sich?»
«Ich bin die Gräfin Voß», stellte die Dame sich vor, «Oberhofmeisterin Ihrer Hoheit Prinzessin Luise.»
Paulina fuhr zusammen.
«Ich komme im Auftrag der Kronprinzessin», sagte die Gräfin Voß. «Zwar weiß ich nicht, welche Verbindung sie zu einer Kaufmannsfrau aus dem Rheinland pflegt, aber sie besteht darauf, Sie sofort zu sehen.»
«Jetzt?», fragte Paulina verblüfft.
Die Gräfin Voß sah sich nervös um. «Kommen Sie, meine Liebe, bevor die übrigen Gäste uns bemerken. Wir dürfen eine der Garderoben benutzen.»
«Aber das Theaterstück ist doch noch gar nicht zu Ende!»
«Die Prinzessin hat nach der Vorstellung gesellschaftliche Verpflichtungen. Aus irgendeinem mir nicht bekannten Grund möchte Ihre Hoheit Sie vorher unbedingt sprechen. Sie wird die Loge während dieses Akts verlassen, um Sie zu treffen.»
Paulina folgte der Gräfin zögernd in die Katakomben des Theaters. Woher wusste Luise, dass sie unter den Zuschauern war?
Die Oberhofmeisterin führte Paulina in eine kleine, fensterlose Kammer. An der Wand hing ein großer Spiegel, vor dem sich ein Tisch mit allerlei Töpfchen und Tiegeln, Quasten und Pinseln befand. Es herrschte ein heilloses Durcheinander, überall lagen Kostüme herum. Die Gräfin wies auf einen dreibeinigen Schemel, der vor dem Tisch stand. «Bitte warten Sie hier einen Moment, Madame. Ihre Hoheit wird gleich kommen.»
Dann war Paulina allein. Sie hörte die Glocke läuten, die zur
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