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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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konnte.
    Eine Sekunde später hörte man ein hässliches Geräusch. Das Feuer hatte die Kettfäden erreicht. Im Nu rollten sie sich zusammen und verbrannten, und der ganze Webstuhl mit ihnen. Alles ging in Flammen auf.
    In der anderen Werkstatt versuchte Mathias inzwischen vergeblich den Hochwebstuhl herauszuziehen, der noch nicht brannte, aber er war viel zu groß und schwer. Hin und wieder gelang es den Männern mit ihren Wassereimern, eine oder zwei Flammen zu löschen, aber sofort zeigten sich neue und größere an einem anderen Ort.
    »Nicolas!«, schrie da auf einmal Alix. »Großer Gott, wir haben Nicolas vergessen!«
    »Vorsicht, Alix, geh nicht rein! Die Flammen lecken schon an den Wänden! Warte, bis die Männer mit Wasser kommen! Du kannst da nicht rein, da ist überall Feuer!«
    »Bist du wahnsinnig, Arnaude! Ich kann Nicolas doch nicht verbrennen lassen.«
    »Warte, bitte! Da kommen zwei Männer mit Wasser. Siehst du, sie kommen zu dir!«
    Aber Alix wartete nicht. Wie eine Schlafwandlerin lief sie durch die Werkstatt, in der dicker Rauch stand, und begann zu husten. Weil sie nichts sehen konnte, musste sie sich vorwärtstasten. Wolle und Fäden brannten. Endlich sah sie durch den Rauch die Wiege vor sich. Sie stürzte sich auf das Kind und riss es aus seinem Bettchen. Bestimmt weinte Nicolas schon lange, aber in der Aufregung hatte ihn niemand gehört.
    Als sie gegen den Türstock prallte, der kurz vor dem Einstürzen war, wäre sie beinahe mit Mathias zusammengestoßen, der vor
lauter Rauch röchelte und taumelte. Er nahm ihr sein Kind ab und drückte es an sich.
    Es dauerte nicht lange, und Juan kam ihnen zu Hilfe. Er hatte Hector unbarmherzig angetrieben. Abbé Mirepoix war ebenfalls dabei. Als er sah, was sich da für ein Drama abspielte, stieß er laute Flüche aus. Weil er aber auf Italienisch fluchte, konnte ihn sowieso niemand verstehen, selbst wenn man ihn gehört hätte.
    Dann zog er seine Kutte aus, damit er nicht irgendwo damit hängen blieb. Unter der Kutte trug er graue Hosen und ein weißes Hemd. Mit beiden Händen griff er den dicken braunen Stoff und schlug damit mit unglaublicher Gewalt auf die Flammen ein, die sich ihm in den Weg stellten. Unterstützt von den Männern mit ihren Wassereimern gelang es ihm sogar, einige zu löschen.
    Mittlerweile stand der dichte, beißende Rauch auch im Hof und quälte das kleine Kind, das Alix wieder auf den Arm genommen hatte. Nicolas weinte noch immer, was aber eher ein gutes Zeichen war, denn dann hatte ihn der Rauch nicht erstickt.
    Alix legte ihn in sein Körbchen. »Kümmer’ dich um ihn, Juan. Und du hilfst mir, alles einzusammeln, was im Hof liegt, Pierrot! Die Teppiche, die Wolle, die Seide und die Webstühle. Zum Teufel!«, entfuhr es ihr plötzlich, »ich habe meine Kartons für die Begegnung am Hofe vergessen!«
    Schnell lief sie zu den Resten von dem großen aufgebockten Tisch, an dem die Flammen auch schon leckten, und griff zielsicher nach den Zeichnungen, die zum Glück noch nicht verbrannt waren.
    Arnaude bekam einen Hustenanfall.
    »Ich kann nicht mehr«, keuchte sie, »ich kann wirklich nicht mehr, Alix.«
    »Dann geh mit Juan nach Hause und kümmre dich um Nicolas.«

    Das Feuer hatte beide Werkstätten vernichtet, nur der Schuppen wurde gerettet, mitsamt dem wichtigen Vorrat an Wolle, Fäden und Seide. Der Hof, der zwischen den Werkstätten und dem Anbau lag, hatte das Feuer aufgehalten, ehe es das Lager erreichen konnte.
    Die kleinen Webstühle waren zwar gerettet, aber die vier großen Hochwebstühle ein Opfer der Flammen geworden. Als Arnold noch immer vor Entsetzen am ganzen Körper zitternd die Brandstätte verließ, meinte er nur, dass absolut nichts mehr zu gebrauchen war.
    Und von den Werkstätten war nur noch ein Haufen Holz und Steine übrig. Es würde lange dauern, bis Ruß, Rauch und Asche verschwunden waren.
    Zum Glück war Alix so klug gewesen, die Teppiche zu retten. Das hatte sie sehr gut gemacht: Alle abnehmen, zusammenfalten und wegbringen lassen. Sechs Teppiche für Louis XII. und die sechs anderen für die Comtesse d’Angoulême. Einen Teil davon konnte sie in einer anderen Werkstatt fertigstellen lassen - aber in welcher? Würde man ihr vertrauen, wenn sie denjenigen, der den Auftrag vermittelte, nicht sofort ausbezahlen konnte? Und wenn sie im Voraus bezahlte, wurde der Auftrag dann auch korrekt ausgeführt? Eins war jedenfalls klar - in Tours durfte sie nicht auf Hilfe rechnen.
    Dabei ergaben sich für sie

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