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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ständig, der Kleinen könnte etwas zustoßen. Und die kleine Claude war zwar ein schwächliches Kind, schien aber mit einem großen Lebenswillen ausgestattet.
    Die Ufer des Beuvron färbten sich zartgrau und wirkten unter dem blassblauen Himmel besonders sanft. Als man schließlich zur Loire abbog, waren alle aufgeregt und wie befreit. Louise ritt in Begleitung von Antoinette und Gonfreville, ihrem neuen Schildknappen, an der Spitze des Konvois.
    »Seht nur, Louise«, rief Antoinette plötzlich.
    Vor ihnen auf der staubigen, schnurgeraden Straße, deren Ende sich im Laubwerk der hohen Bäume verlor, kamen zwei Gestalten auf sie zu. Sie waren aber noch zu weit entfernt, als dass Louise sie erkennen konnte.
    Als sie schließlich näher kamen, nahmen ihre Umrisse allmählich
Gestalt an. Eine Frau mit einem Kind an der Hand schritt langsam auf sie zu und schien nicht zu bemerken, dass ihr Gonfreville mit seinem Pferd entgegenkam.
    »Was die beiden hier wohl machen?«, fragte Louise. »Anscheinend wollen sie nicht zur Seite gehen. Reitet doch einmal zu ihnen, Gonfreville, und fragt sie nach ihrem Begehr.«
    Seigneur de Gonfreville war Anfang fünfzig, ein wenig griesgrämig und äußerst selbstbewusst. Nachdem er mehr als zwanzig Jahre in den Diensten des Grafen d’Angoulême gestanden hatte, arbeitete er nun nach dessen Tod für seine Witwe. Zwischendurch hatte sie ihn allerdings aus finanziellen Gründen an einen anderen Herrn abtreten müssen. Ihr neuer Reichtum erlaubte es ihr aber, ihn wieder zu übernehmen.
    Der Schildknappe trennte sich von dem Trio und war mit wenigen schnellen Sätzen bei der Frau. Louise und Antoinette sahen ihm zu, wie er mit geübter Hand sein Pferd wendete und neben dem Kind zu stehen kam, das die Hand seiner Mutter losgelassen hatte. Die Frau war höchstens dreißig Jahre alt, und ihr faltiges Gesicht wollte nicht recht zu ihrem noch erstaunlich blonden Haar passen.
    »Wo ist die Mutter unseres zukünftigen Königs?«, rief sie mit einer Stimme, die fast herausfordernd klang, nachdem sie so lange geschwiegen hatte.
    Sie war wie eine Landfrau gekleidet, sauber und ordentlich, hatte aber nichts Bäuerliches an sich. Das Kleid und ihr Umhang waren sehr abgetragen, und man konnte sich denken, dass es ihre besten Sachen waren.
    Ihre Stimme war so laut und durchdringend, dass sie auch Louise und Antoinette gut verstehen konnten.
    »Ich habe Euch nichts zu sagen«, rief sie dem Schildknappen zu. »Ich möchte mit Madame Comtesse d’Angoulême sprechen, der Mutter von François de Valois.«

    Verärgert wendete Gonfreville sein Pferd erneut und kam zu Louise zurück, die aber inzwischen bei dem Jungen angekommen war, der ein wenig zögernd vor seiner Mutter herging.
    Aus der Nähe sah sie, dass er wohl nicht mehr ganz so jung war, wie seine zierliche Gestalt vermuten ließ. Vermutlich war er einige Jahre älter als ihr eigener Sohn, und sie schätzte ihn auf zwölf oder dreizehn Jahre.
    »Ich bin die Comtesse d’Angoulême« stellte sie sich vor, wobei sie sich aufsetzte und ihren Rocksaum ordnete.
    Sofort stellte sich die Frau dem friedlichen Orion in den Weg, fasste nach dem Fuß von Louise, der im Steigbügel steckte, und sprudelte los:
    »Mein Sohn ist ein vornehmer und gebildeter junger Mann, geschaffen für das Leben am Hof und nicht das eines erbärmlichen Bauernburschen oder Stallknechts. Habt doch die Güte und nehmt ihn zu Euch, liebe Comtesse. Er wird Euer ergebener Diener sein und Euch wie ein Schatten folgen.«
    Sie klammerte sich mit ihrem ganzen Gewicht an Louise und hätte sie beinahe vom Pferd gezogen.
    »Was soll das?«, schimpfte Gonfreville und packte sie unsanft. »Schaut, dass Ihr weiterkommt und nehmt Euren Sohn mit!«
    »Ich gehe nur allein!«, schrie die Frau und wehrte sich mit Händen und Füßen gegen den Schildknappen. »Und mein Sohn bleibt bei Eurer Eskorte!«
    »Dann soll er ans Ende des Konvois zu den anderen Bittstellern gehen und sich bei der Intendantur melden. Wir machen keine Ausnahmen. Wenn er angestellt wird, kann er mit uns nach Amboise kommen. Andernfalls schicken wir ihn wieder heim.«
    Von den fordernden Händen der Frau befreit, fand Louise auf Orion wieder zu ihrem Gleichgewicht und musterte interessiert den Jungen, der sie aufmerksam ansah.

    Das schwächlich wirkende Kind war von geradezu vornehmer Schönheit, was überhaupt nicht zu dem einfachen, aber aggressiven Auftreten der Mutter passte. Seine langen blonden, gerade geschnittenen Haare

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