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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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fleißig war, beteiligte sie sich eigentlich nur an den Spielen im Freien, um François Gesellschaft zu leisten, und dann auch nur, wenn Geschicklichkeit und Kalkül gefragt waren.
    Mit der abgerundeten Spitze seines Schwerts zog François eine lange Linie auf dem Boden und befahl den anderen Kindern, sich mit einem Fuß davor und dem anderen auf der Linie aufzustellen.
    Als Anne de Montmorency die Scheibe an den Baum hängte, der am weitesten von ihnen entfernt stand, entging ihm nicht der flüchtige Blick, den ihm Marguerite zuwarf. Sie mochte den großen blonden Jungen gern, der sich so geschmeidig wie eine stets sprungbereite Raubkatze bewegte, und spürte jetzt schon, dass zwischen ihm und François eine große Freundschaft entstehen sollte.
    Die Kinder stellten sich an der Linie auf. Jedes hatte einen gespannten Bogen und nahm einen der Pfeile, die mit verschiedenfarbigen Kerben gekennzeichnet waren. François griff immer nach dem gelben, Marguerite wählte den weißen. »Das sind ja auch die Farben der Margerite«, hatte Souveraine einmal lachend gemeint, und seitdem blieben Gelb und Weiß die Spielfarben der beiden Kinder.
    Marguerite hatte sich auf den Boden gesetzt und sah zu, wie die Pfeile flogen. Als sie Philippe einen Blick zuwarf, fing ihn der kleine, stämmige und ein wenig untersetzte Junge wie einen Ball im Flug auf und schickte ihn an sie zurück. Mit seinem lockigen schwarzen Haar und dem kecken Blick sprühte er nur so vor Lebensmut.
    Marguerite sprang auf und drängte sich zwischen ihren Bruder und Souveraine, die sich bei diesem Spiel ziemlich ungeschickt anstellte und unter dem Gelächter der Jungen bereits drei Pfeile
hatte fallen lassen. Aber Souveraine ließ sich nie aus der Ruhe bringen und versuchte es so lange, bis es ihr gelang.
    »Sie setzt offenbar auf die Hinhaltetechnik«, spottete Robert.
    Souveraine sah ihn zornig an, aber da befahl François auch schon ungeduldig: »Los geht’s!«
    »Eins, zwei, drei!«, rief de Montmorency.
    Die Pfeile schossen los, und alle - bis auf den von Souveraine - trafen ins Ziel und bohrten sich in die Scheibe.
    »Du hast gewonnen, François!«, rief Marguerite. »Dein Pfeil ist genau in der Mitte.«
    Annes Pfeil steckte wenige Millimeter neben dem des Siegers. Robert und Marguerite hatten auch nicht schlecht gezielt, aber der Pfeil von Philippe war so am Rand der Scheibe gelandet, dass er nicht zählte.
    Die Gesichter der Kinder waren ganz rot von der eisigen Kälte, aber sie merkten es nicht. Doch dann tauchte Marschall de Gié auf und erklärte das Spiel für beendet. Gleichmütig, kühl und kompromisslos, aber auch wie immer sehr gerecht - der Lehrer, der sich nach wie vor nicht mit Louise verständigen konnte, befand sich in Hochform. Mit großer Hingabe unterrichtete er diese fröhliche Truppe und hatte große Pläne, deren Mittelpunkt natürlich immer François war.

18
    »Was ist das nur für ein köstlicher Duft! Wunderbar! Ihr müsst unbedingt einmal daran riechen, Antoinette!«, versuchte Jeanne die teilnahmslose Antoinette zu verführen. Die Stickarbeit, mit der sie sich zuvor beschäftigt hatte, war längst auf ihre Knie gerutscht.
    »In Cognac und auch in Angoulême hatten wir nie solch einzigartige Düfte«, fuhr Jeanne fort. »Dieser hier kommt aus Spanien, hat mir die Parfümhändlerin erzählt.«
    Jeanne wunderte sich über die Interesselosigkeit ihrer Freundin und wollte nicht locker lassen.
    »Es duftet nach Zimt und Mandeln, und ein ganz klein wenig nach Zitrone und Iris.«
    Sie machte eine Pause, seufzte und fuhr dann gereizt fort:
    »Antoinette! Bitte hört jetzt endlich auf, an Eure Tochter zu denken und riecht an dem Parfüm!«
    Weil Antoinette hartnäckig schwieg, wurde Jeanne nun richtig ärgerlich und schimpfte:
    »Ihr könnt doch nicht die ganze Zeit über das Schicksal von Madeleine nachdenken! Sie fühlt sich wohl in ihrem Kloster. Die Nonnen von Saintes haben es immer wieder bestätigt. Was wollt Ihr denn noch? Glaubt Ihr etwa immer noch, sie bräuchte eigentlich einen Mann? Riecht lieber endlich an meinem neuen Parfüm.«
    Antoinette hatte die Augen halb geschlossen, lag mit ausgestreckten Beinen auf einer der steinernen Bänke hinter der Schlossterrasse
und ließ ihren Gedanken freien Lauf. In diesen abgeschiedenen Park voller Blumen und Schatten spendenden Bäumen verirrte sich keine Wache, kein Hellebardier und kein Bogenschütze. Auf Louises Wunsch blieb ein Teil der Gartenanlage von Amboise ausschließlich für sie

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