Die seidene Madonna - Roman
über die Schultern, und der Marschall konnte den Blick nicht von ihr wenden.
Vom Tanzen hielt sie noch immer den Rocksaum in der Hand, unter dem eine schlanke Fessel und ein nicht weniger zierlicher Fuß zu sehen waren, der in einem kleinen schwarzen Samtschuh steckte.
Dann wanderte sein Blick nach oben und blieb an ihrer Taille hängen. Als er den zarten schwarzen Handschuh entdeckte, den sie im Gürtel stecken hatte und der damals signalisierte, dass seine Trägerin nicht zu haben war, blickte er mit einem Schlag wieder ernst und fragte sie brüsk:
»Seid Ihr etwa nicht frei, Madame?«
»Wie kommt Ihr darauf, Monsieur?«
»Wegen des Handschuhs«, antwortete er und fixierte mit seinen Adleraugen den Satinhandschuh, der in der Taille der jungen Frau kaum zu sehen war.
»Darf ich fragen, was Euch mein Privatleben angeht, Monsieur?«
Und als er nicht antwortete, fuhr sie fort:
»Der König hat den Lehrer meiner Kinder ausgetauscht. Ihr seid nun der neue Lehrer, das weiß ich sehr wohl. Soweit ich weiß, hat er mir aber nicht verboten, den alten zu sehen!«
Der Marschall kochte vor Wut.
»Da irrt Ihr Euch, Ihr werdet ihn nicht wiedersehen.«
»Wie kommt Ihr zu dieser Behauptung, Marschall?«
»Er ist nach Chinon gekommen und hat Euch auch in Amboise besucht. Aber die Pest und unser überstürzter Aufbruch nach Romorantin haben mit diesen Treffen kurzen Prozess gemacht.«
Er kam ihr so nahe, dass sich ihre Oberkörper beinahe berührt hätten. Sie roch seinen Atem und drehte ihr Gesicht weg.
»Ihr seht ihn nicht wieder. Das weiß ich nun einmal!«, wiederholte er hasserfüllt.
»Spioniert Ihr mich etwa aus?«
»Ich muss jeden beobachten, der sich in der Entourage des Thronerben aufhält.«
»Dann solltet Ihr auch wissen, dass ich ihn zwar vielleicht nicht sehe, aber immer an ihn denke. Und aus diesem einfachen Grund bin ich auch nicht zu haben.«
Antoinette und Jeanne hatten sich diskret zurückgezogen, aber obwohl sie weit genug entfernt waren, konnten sie jedes Wort hören.
Warum versteifte sich Louise auf solche Behauptungen? Zugegeben, sie hatte eine wunderbare Zeit mit Saint-Gelais verbracht. Sie hatte ihn einige Male getroffen, heimlich, um einen Skandal zu vermeiden, und sicher dachte sie manchmal sehnsüchtig an ihn.
Doch sie hatte das Verhältnis mit ihm schließlich selbst beendet, und seit über einem Jahr hatte sie nichts mehr von ihrem zärtlichen Gefährten gehört.
Louise fühlte sich jetzt mit Herz und Verstand frei. Da aber der Comte d’Angoulême für sie seit langem ein längst vergessener Ehemann war und sie nur noch zärtliche und romantische Erinnerungen für Saint-Gelais hegte, hatte sie die wahre Liebe, die
einen ganz um den Verstand bringt, noch immer nicht kennengelernt.
Und die Behauptung ihrer Freundinnen, der Marschall wäre ganz vernarrt in sie, überraschte sie nur zum Teil. Hätte sich Louise in die Arme des neuen Lehrers gestürzt, wäre der Skandal mit Sicherheit längst nicht so groß gewesen wie bei Saint-Gelais.
Pierre de Rohan, den Louis XI. zum Maréchal de France ernannt hatte und der ein beträchtliches Vermögen besaß, das noch um das seiner vor einigen Jahren verstorbenen Frau, Françoise de Penhoët, vermehrt worden war, verband seine Leidenschaft für die Diplomatie mit der, die so viel Widerwillen bei der Comtesse d’Angoulême auslöste. Das hatten Jeanne und Antoinette ganz richtig erkannt. De Gié ertrug es nicht, dass Louise sich ihm gegenüber so abweisend und gleichgültig verhielt und er nicht das Herz dieser jungen Frau erobern konnte, die ihn schier um den Verstand brachte.
Warum wollte dieser intelligente und scharfsichtige Mann einfach nicht begreifen, dass er die zärtliche und besitzergreifende Mutterliebe der Comtesse ständig attackierte? Wie konnte er den Groll übersehen, den diese von Tag zu Tag mehr gegen ihn hegte, weil er sie solchem Druck aussetzte? Denn nicht nur die Armbrustschützen, die das Bett ihres Sohnes bewachten, und die Bogenschützen, die alle Türen im Auge behielten, behelligten sie. Überall spürte Louise, dass die Artillerie des Marschalls jederzeit einsatzbereit war.
Sie konnte keinen Schritt in Gesellschaft ihrer Kinder ohne bewaffnete Männer tun. Die Rufe der Wachen und ihre lauten Schritte, wenn sie ihren Rundgang machten, weckten sie jede Nacht. Man hätte meinen können, de Gié fände Freude daran, sie immer wieder stundenlang um den Schlaf zu bringen.
Diese Geschichte, die ja eigentlich nur für
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