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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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er alles Notwendige lernen konnte. René konnte lesen, schreiben und rechnen.
    Nach einiger Zeit hatte Louise aus dem Mund ihres Pagen erfahren, dass seine Mutter früher in ihrem Dorf eine angesehene Frau gewesen war. Dieses Ansehen hatte sie aber schon lange verloren, und in einem Anfall von Mitleid und Großherzigkeit hatte die Comtesse René gestattet, einige Nachforschungen über die Identität seines Vaters anzustellen.
    »Ah, da bist du ja, René! Es ist schon recht spät, also hast du vermutlich bereits zu Abend gegessen.«
    Louise war allein in ihrem kleinen Salon.
    »Was hast du mir denn heute Abend zu erzählen?«, fragte sie ihn.
    »Ach, nichts Besonderes, Dame Louise. Mademoiselle Catherine hat Monsieur Gonfreville eine ordentliche Abfuhr erteilt.«
    »Du liebe Güte! Was hat er denn gesagt oder getan?«
    »Er hat sie um die Taille gefasst und schlüpfrige Bemerkungen gemacht.«
    »Gonfreville ist ein ausgezeichneter Schildknappe, aber was für ein Geck!«, lachte Louise. »Je älter er wird, umso mehr läuft er den Weibern hinterher. Catherine hat recht, ihm die Meinung zu sagen.«
    Louise nahm die Laute von ihrem Pagen und schlug einige Akkorde an.
    »Er hat sie also um die Taille genommen, aber was hat er gesagt, René?«, fragte sie und lauschte zerstreut den Lautenklängen.

    »Monsieur de Gonfreville wollte von ihr wissen, ob sie kostbare Unterwäsche besitzt.«
    Wieder musste Louise lachen, und René berichtete weiter:
    »Vorher hat er mir ein Kompliment zu meinem seidigen Hemd gemacht, und Mademoiselle Catherine hat zu ihm gesagt, dass die Pagen von Königin Anne noch viel besser gekleidet seien.«
    »Hat sie nur von deiner Kleidung gesprochen?«
    »Nein, sie hat gesagt, Monsieur François d’Angoulême müsste eigentlich noch viel kostbarer gekleidet sein. Ein zukünftiger König dürfte sich ruhig in Gold und Brokat kleiden.«
    »Sehr gut, René. Alle meine Leute sollen davon überzeugt sein, dass mein Sohn eines Tages den Thron von Frankreich besteigen wird. Das darfst du nie vergessen. Solltest du einmal feststellen, dass einer von ihnen nicht so recht daran glauben will, erlaube ich dir hiermit ausdrücklich, mit ihm zu sprechen, um ihn zu überzeugen.«

19
    Als Alix mit Abbé Mirepoix und Julio in der letzten Aprilwoche in Lyon eintraf, schien die Sonne von einem wolkenlosen blauen Himmel.
    Alix kannte Lyon noch nicht und war auf der Stelle begeistert von dem majestätischen, großzügigen Eindruck, den die Stadt auf sie machte. Schon immer verdankte Lyon seine besondere Bedeutung der begünstigten Lage am Zusammenfluss von Rhône und Saône und natürlich auch der Tatsache, dass sich dort mehrere große, gut ausgebaute Straßen kreuzten - die einen führten nach Italien und Deutschland, die anderen kamen aus Paris und Flandern.
    Auf Rhône und Saône herrschte zu jeder Jahreszeit ein reger Verkehr von Lastkähnen, Barken und Booten, die mit Reisenden, Tieren und Waren aller Art beladen waren.
    In Lyon war jeder Tag Markttag, dadurch war sie zu einem wichtigen Handelszentrum geworden; außerdem machten die Könige Charles VIII. und Louis XII., meistens mit ihrem gesamten Hofstaat, häufig auf ihren Reisen Station in der Stadt, und das wertete die Großstadt zusätzlich auf.
    Lyon lag an der Kreuzung zweier belebter Wasserstraßen und schmiegte sich an den Fuß der Anhöhe von Fourvière. Alix konnte diesen wunderbaren Anblick gar nicht genug genießen.
    Jacques Mirepoix empfing seinen Bruder und dessen Begleiter in einem Stadthaus, das alles andere als bescheiden wirkte. Nach der üblichen Vorstellung, bei der sich Alix nicht gerade zurückgehalten
hatte und von ihrem Gönner ins beste Licht gestellt worden war, musterte sie Jacques Mirepoix ausgiebig und kam dann ohne weitere Umschweife zur Sache:
    »Ihr seid also Weberin und habt eine Werkstatt, Dame Cassex.«
    »Ich hatte eine Werkstatt. Bruder André hat Euch sicher von meiner trostlosen Lage erzählt. Nachdem ich gerade durch die Pest, die im gesamten Val de Loire gewütet hat, Witwe geworden war, hat es dem Schicksal auch noch gefallen, mit einem Brand meine beiden Werkstätten in Schutt und Asche zu legen.«
    »Ich weiß, ich weiß! Natürlich hat mir André alles erzählt. Allerdings haben die Schicksalsschläge, die Euch getroffen haben, nebenbei dazu geführt, dass mein Bruder seine triste Mönchszelle verlassen hat, in der er vollkommen abgeschieden lebte, sich in irgendwelchen Gärten versteckt hielt und Heilpflanzen anbaute.

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