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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Aber auch sie wusste nicht, ob André noch immer hinter dem Wagen eingeklemmt war.
    Da bemerkte sie plötzlich unter heftigem Herzklopfen, dass einer der drei Reiter fehlte.
    »Julio!«, rief sie. »André ist nicht abgestürzt!«
    Und wie um ihre Vermutung zu bestätigen, sah sie, wie die Kutsche langsam auf den Abgrund zurutschte, und begriff, dass der Mönch das Unmögliche versuchte.
    »Wir müssen ihm helfen, Julio!«
    Julio bückte sich, damit man ihn nicht so leicht sehen konnte, und schlich sich nach vorn. Als er bei einem der Wagenräder angekommen war, stemmte er sich mit dem Rücken gegen den Fels und schob. Plötzlich bekam er von der anderen Seite Unterstützung. André hatte den Plan durchschaut, und der Wagen rutschte auf den Abgrund zu.
    Als die Kutsche bereits hart an der Kante stand, sah Alix ein Paket durch die Luft fliegen. Irgendwie war es André gelungen, es aus dem Wagen zu holen und so zu werfen, dass es gegen den Fels prallte und dort liegen blieb.
    Die Kutsche kippte zur Seite, zwei Räder waren noch auf dem Weg, die anderen beiden drehten sich leer in der Luft, und der Reiter, der zuvor abgestiegen war, klammerte sich von außen an den Wagen und strampelte verzweifelt mit den Beinen. Dann kippte der Wagen vollends um und polterte knirschend und krachend den Abgrund hinunter.
    Alle drei lauschten und hörten Hufgeklapper - der dritte Reiter war geflüchtet.
    »Ich habe Euer Meisterstück gerettet, Alix!«, rief ihr André zu.
    Sie lief zu dem Paket, das eine Bauchlandung gemacht hatte,
seufzte erleichtert und schloss die Augen. Was hätte sie nur gemacht, wenn ihr Meisterstück verloren gegangen wäre? Aber der Himmel ließ sie nicht im Stich. Nein! Solange sie ihre treuen Freunde hatte, gab es noch Hoffnung.
    Jetzt kam das Trio noch langsamer voran. Sie hatten zwar ihre Kutsche verloren, dafür aber ein Pferd gewonnen. Alix wollte nicht bevorzugt werden und trat mal den tapferen Jason und mal das Pferd des Reiters ab, der in die Tiefe gestürzt war. Es war auch ein gutes Pferd, ein Apfelschimmelwallach, vielleicht ein wenig gedrungen, aber nicht müde zu kriegen.
    Halb verhungert, weil ihr Proviant in der Kutsche geblieben war, und vollkommen erschöpft, weil sie ohne schützenden Wagen nirgends zum Schlafen Halt machen konnten, erreichten sie drei Tage später Turin.
    Dort tauschten sie den Apfelschimmel gegen ein kleines Gespann, damit sie nach Rom weiterreisen konnten.
    Bei ihrer Ankunft in Genua waren sie in besserer Verfassung als in Turin. Jason schien sich von seinem Schreck erholt zu haben. Die Abgründe hatten ihm solche Angst eingejagt, dass er manchmal völlig grundlos scheute und wieherte. Mit dem hitzigen Hector, der an die schmalen spanischen Wege gewöhnt war, hätten sie die Alpen vielleicht leichter überquert, allerdings hätten ihn dafür Schnee und Glatteis verunsichert.
    Das alles wäre bald nur noch eine schlechte Erinnerung gewesen, wenn sie nicht tiefes Misstrauen in Bruder André ausgelöst hätte, der schon von Natur aus ein großer Pessimist war. Nach diesem Überfall war Abbé Mirepoix überzeugt, dass ihn irgendwo anders eine weitere Falle erwartete. Bischof Lenoncourt würde ihm gewiss nicht so schnell vergessen, dass er ihn in seinen Augen verraten hatte.

    Nachdem sie sich in Turin gestärkt und ausgeruht hatten, genossen sie den Trubel im Hafen von Genua in vollen Zügen. Dort ging es laut und bunt zu und duftete nach den verschiedensten Gewürzen. Säckeweise wurden Koriander, Pfeffer, Ingwer und alle möglichen anderen exotischen Waren entladen, die Händler aus den gerade erst entdeckten Ländern importiert hatten.
    Die Genueser Reeder hatten Stoffe, Seidenwaren, Orientteppiche und kostbare, aus Goldfaden gewebte Vorhänge mitgebracht, die Alix gar nicht genug bewundern konnte. Sie war wie überwältigt von all dieser Pracht, und während Bruder André sich auf die Suche nach einer einfachen Herberge für die Nacht machte, stand Alix an ein Geländer gelehnt neben Julio und beobachtete gespannt das ganze Durcheinander.
    Plötzlich wurde sie von einem großen stattlichen Kerl mit braunen Haaren angerempelt. Er hatte einen nackten Oberkörper, trug staubige weiße Hosen und transportierte sehr geschickt eine große Truhe, die auf allen Seiten sorgfältig zugenagelt war.
    »Leo!«, hörte sie es neben sich schreien, und die Antwort ließ nicht auf sich warten: »Julio!«
    Alix drehte sich um, weil sie wissen wollte, wer da nach Julio gerufen hatte, und sah

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