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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ihn auf den großen Kerl zustürzen, der sie gerade versehentlich angerempelt hatte. Die beiden fielen sich in die Arme und klopften sich voller Freude gegenseitig auf den Rücken. Als sie ihre überschwängliche Begrüßung beendet hatten, drehte sich Julio zu Alix um und stellte ihr seinen Freund mit einer ausladenden Geste vor.
    »Wir sind zusammen aufgewachsen«, erklärte er und strahlte über das ganze Gesicht, »jedenfalls bis mich Monsignore Jean unter seine Fittiche genommen hat.«
    »Als Kinder sind wir auf der Suche nach einem Stück Brot oder Stockfisch stundenlang durch Rom gelaufen«, erzählte Leo.

    Julio hakte sich bei ihm ein und musterte die bescheidene Kleidung seines alten Freundes.
    »Wie es ausschaut, machst du das noch immer.«
    »Ich hatte nun einmal nicht so viel Glück wie du.«
    Julio wurde ernst und nickte. Natürlich hatte er nicht vergessen, wie sie beide, die zwei Waisenkinder, barfuss durch die stinkenden Straßen von Rom gelaufen waren. Ob er sich an die Worte erinnerte, die sein Freund, der bestimmt nicht ganz so klug wie er war, zu ihm gesagt hatte? Ja. »Du bist der Schlauere von uns beiden, lass dir etwas einfallen!« Und so waren sie eines Tages zum Vatikan gegangen und Jean de Villiers begegnet. Leider hatte aber nur Julio die Aufmerksamkeit des Prälaten auf sich lenken können. War das lange her!
    »Hast du nichts anderes zu tun, als Schiffe zu entladen?«
    »Warum? Wenn ein Schiff kommt, gibt es gute Arbeit.«
    »Es kommt aber nicht jeden Tag eins.«
    »Dann suche ich mir eben irgendetwas anderes. Manchmal fahre ich zum Beispiel Kutschen in den Stall von Herbergen. Das wird zwar schlecht bezahlt, aber so halte ich bis zur nächsten Arbeit im Hafen durch.«
    »Können wir ihn nicht mitnehmen?«, fragte Julio Alix.
    Alix antwortete nicht gleich, sondern überlegte erst. Sie hatten bereits eine schöne viersitzige Kutsche verloren, die außerdem noch Jacques Mirepoix gehört hatte. Eines Tages mussten sie dafür Ersatz leisten. Und was würde wohl Bruder André sagen, wenn es einen hungrigen Mund mehr zu stopfen gab? Andererseits konnte sie ihn auch schlecht einfach so stehen lassen. Leo sah sie schon so erwartungsvoll und treuherzig an.
    »Habt Ihr gerade gesagt, dass Ihr eine Kutsche fahren könnt, Leo?«
    »Ich kann allein sechs Pferde lenken, und die machen dann auch, was ich will, beim Galopp, in Kurven, bergauf und bergab.«
    Alix musste lachen.
    »Das kann ich und Schiffe entladen, mehr nicht, aber das kann ich richtig gut.«
    »Wärt Ihr bereit, unsere Kutsche überallhin zu fahren, wohin wir wollen?«
    Er nickte.
    »Schlaft Ihr auch im Stall bei den Pferden, wenn es in der Herberge keinen Platz für Euch gibt?«
    »Warum nicht? Ich schlafe sowieso meistens unter freiem Himmel. Ein Stall ist für mich ein Schloss. Macht Euch da nur keine Sorgen, Mademoiselle.«
    »Seid Ihr auch einverstanden, dass ich Euch erst Lohn auszahle, wenn ich dazu in der Lage bin? Zu essen bekommt Ihr natürlich von mir.«
    Freudestrahlend sah Leo seinen Freund an, der ihm aufmunternd zunickte.
    »Ich glaube, da machst du kein schlechtes Geschäft, Leo. Dame Alix, die übrigens Witwe ist, hat gerade schwere Rückschläge einstecken müssen, aber davon wird sie sich bald erholen. Wenn wir in Rom waren, muss sie nach Flandern reisen, und dann zurück nach Hause ins Val de Loire, wo sie ihre Weberwerkstatt hat. Wie lautet deine Antwort?«
    »Ja, ich bin mit allem einverstanden«, sagte Leo und strahlte noch immer vor Freude.
    »Gut, dann versuche ich jetzt André zu überzeugen. Ich glaube aber, er hat nichts dagegen, wenn er die Zügel abgeben darf«, meinte Alix.
    Dann mussten aber doch zwei Männer auf den Kutschbock, weil im Wagen nur Platz für zwei war, und Julio beschloss, seinem wiedergefundenen Freund Gesellschaft zu leisten.

    Ohne Schwierigkeiten durchquerten sie die Provinz Toskana und erreichten schließlich in brütender Hitze die Ufer des Tibers. Noch nie war Alix über die Grenzen des Val de Loire hinausgekommen, aber Gott weiß, wie gut sie die Straßen von Nantes nach Tours kannte. Hier in Italien ließ sie sich tagein, tagaus von dem meist wolkenlosen, strahlendblauen Himmel verzaubern und betrachtete den Tiber voller Wehmut, weil sie Heimweh überkam.
    Als sie sich nun der Provinz Rom näherten, wurde Alix das Herz schwer bei dem Gedanken, dass sie nun alles zu Gesicht bekam, was auch ihr lieber Jacquou noch kurz vor seinem Tod gesehen hatte.
    Rom kam ihnen riesig vor, und

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