Die seidene Madonna - Roman
einfallen lassen.
Ich schreibe Euch, sobald ich meine Lizenz bekommen habe. Das steht für mich im Augenblick an allererster Stelle.
Lisette, die ja freundlicherweise während meiner Abwesenheit bei Euch bleiben durfte, muss wohl schon entbunden haben. Ich bin sehr gespannt, mehr darüber zu erfahren. Ist es ein Junge oder ein Mädchen? Juan soll ruhig so oft es geht Hector reiten und sich auch um unsere anderen Pferde in Eurem Stall kümmern. Sobald ich wieder in Tours bin, hole ich die beiden zu mir. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, Louise, wie dankbar
ich Euch bin, dass Ihr sie während meiner Reise so großzügig bei Euch beherbergt. Vielleicht kann ich Euch eines Tages mit meiner Begegnung am Hofe dafür danken. Ich will dafür nur die schönsten Fäden verwenden, die ich aus Italien mitbringe. Es freut Euch bestimmt zu hören, dass ich immer besser Italienisch spreche. Richtet Marguerite bitte aus, dass sie sich mit den Italienischstunden anstrengen muss, wenn sie besser als ich bleiben will. Übrigens habe ich eine kleine Italienerin zu mir genommen, die ein Leinweber in Arras loswerden wollte. Obwohl er sie sehr schlecht behandelt hat, wollte sie die Leinweberei erlernen, nur hat es ihr keiner zeigen wollen. Und ihre Mutter, die einmal mit einer venezianischen Galeere nach Flandern gekommen war, ist bei der letzten Pest gestorben.
Mit Angela - so heißt mein Schützling - und Julio, der in Rom geblieben ist, den ich aber in Lille wiedertreffe, werde ich noch fehlerfrei Italienisch sprechen lernen.
Liebe Louise, über einen Brief von Euch würde ich mich sehr freuen. Berichtet mir von den waghalsigen Heldentaten von François und den eher anmutigen von Marguerite. Umarmt und küsst sie von mir.
Alles Gute
Alix.
Louise seufzte, sie freute sich immer sehr, Neues von der jungen Weberin zu hören. Und dieser Brief war ihr wirklich ein Trost, auch wenn er ihr nicht die Angst nehmen konnte, die sie plagte, seit sie von der neuen Schwangerschaft der Königin wusste.
Wie um ihren Mangel an Begeisterung zu unterstreichen, öffnete sich die Tür zu ihrem Zimmer geräuschvoll, und Louise
drehte sich um. De Gié, François’ unnachgiebiger und autoritärer Lehrer, den Louise verabscheute, kam hereingepoltert und musterte sie mit prüfendem Blick, den er nur äußerst selten ablegte. An diesem Abend wirkte er aber irgendwie ungewohnt herzlich, als er Louises Anspannung bemerkte, die sie nur schlecht verhehlen konnte.
»Vergesst Ihr vor lauter Angst sogar die Musikstunde?«, fragte er spöttisch.
Aber Louise ging nicht auf seine Ironie ein und sagte nur:
»Wie Ihr wisst, Marschall, bin ich immer in größter Bedrängnis, wenn die Königin schwanger ist.«
Er sah sie mit seinen kalten Augen an, denen ausnahmsweise jede Feindseligkeit fehlte.
»Ihr macht Euch ganz unnötig Gedanken, weil die Königin auch diesmal nur ein Mädchen bekommen kann.«
»Seid Ihr euch da so sicher?«
Er trat zu ihr und wollte ihre Schulter berühren, ließ dann aber doch seine Hand wieder sinken.
»Werdet Ihr bei der Entbindung dabei sein?«
»Nein, ich reise nicht nach Blois. Ich muss eben hoffen, bis ich Nachricht bekomme. Das Kind lässt auf sich warten. Man sagt doch, dass es ein Junge wird, wenn es zu spät zur Welt kommt.«
De Gié klatschte ungeduldig in die Hände. Er zog sein schwarzes Samtwams aus, auch das pflegte er so gut wie nie zu tun, und schob die Ärmel seines weißen Hemds hoch.
»Jetzt lasst Ihr euch erstmal ein schönes Feuer machen, Comtesse. Es ist schlecht für den Körper, wenn der Geist friert. Die Flammen heitern Euch bestimmt auf.«
»Glaubt Ihr wirklich, ich muss mir nur die Knochen wärmen und schon lösen sich meine Qualen in Luft auf?«
Auf jeden Fall machte de Gié an diesem Abend einen ganz anderen Eindruck auf Louise als sonst.
»Ein schönes Feuer und ein gutes Essen«, wiederholte er und rieb sich die Hände. »Ich schlage vor, wir bestellen uns ein Festessen, das wir ausgiebig begießen. Über so einem Festmahl vergesst Ihr Eure Ängste.«
»Eure Sorglosigkeit erstaunt mich!«
»Wer sagt Euch denn, dass ich froh und unbeschwert bin?«
Sie sah ihn eindringlich an und glaubte tatsächlich eine Spur von Fürsorge in seinem Blick zu entdecken.
»Das ist wahr«, sagte sie leise, »wenn wir uns auch hassen, so haben wir doch das gleiche Ziel. Und heute bedeutet mir das Trost.«
Sie wandte sich an ihren Pagen.
»Geh und hol mir Jeannette, René. Sie soll ein schönes Feuer machen
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