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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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habe sie von ihm befreit. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Sie oder er. Nicht einmal Gott hat mich für meine Entscheidung bestraft, weil ich niemals verdächtigt wurde. Das ist unsere Geschichte, Jacquou, den Rest kennst du ja bereits. Léonore glaubte, ich wäre tot. Sie ist de Coëtivy wieder begegnet, und dann hat die Pest gewütet und ihre Opfer verlangt.«
    »Ich habe nichts von meiner Mutter gewusst, oder fast nichts. Danke, Jean«, sagte der junge Mann gerührt.
    Er stand auf, ging zu Kardinal Jean de Villiers und tat, was er bei Pierre de Coëtivy nie gewagt hatte: Er lehnte sich an seine Schulter und spürte sofort seine liebevolle Umarmung, die ihm durch und durch ging und sehr wohl tat.

4
    Seit Louise mit ihren Kindern in Amboise eingetroffen war, musste sie immer wieder das Panorama bewundern, das sich ihr in ständig neuer Gestalt präsentierte.
    Wenn der Morgen über dem Fluss dämmerte, hingen durchsichtige Tautropfen über der Landschaft, und ein luftiger, durchscheinender Schleier schwebte über der Loire wie eine riesen große schläfrige Libelle.
    In aller Herrgottsfrühe ging dann eine noch schüchterne Sonne auf und tauchte die fernen Weinberge in goldenes Licht. Je nach Jahreszeit wärmte sie Natur und Menschen mal länger und mal kürzer.
    In der Abenddämmerung sah Louise aus ihren Spitzbogenfenstern und ließ den Blick über die rötlich ockerfarbenen Steine schweifen, deren Anblick sie nie wieder vergessen würde. Der Himmel blieb im Einklang, wenn auch von ungleichen roten Feldern durchschnitten und aufgeteilt in ein asymmetrisches Feuer.
    Amboise war nach Blois unbestritten das schönste Königsschloss. Die Gemächer waren geräumig, und die Parks wunderschön angelegt. Die Terrassen über der Loire entfalteten die ganze warme Jahreszeit hindurch ein Blütenmosaik, das von Weitem wie bunt gefärbte Spitze aussah.
    Es war Frühling, der April ging mit seinen letzten düsteren, kahlen Tagen zu Ende, das Sonnenlicht bestrahlte bereits den Felsen über der mächtigen Tour de Minimes, die Spitztürme und die durchbrochene Balustrade, und Louise konnte sich nicht satt
sehen an diesem Spektakel, während Prunelle ihr auf den Fersen folgte und neugierig jeden Pflasterstein beschnupperte.
    Auch wenn Louise nicht in den Gemächern des Königs untergebracht war, dem sogenannten Logis du Roi , so konnte sie doch Richtung Westen schier unendlich weit sehen. Und dort, wo die langen Fensterreihen über zwei Stockwerke verteilt den Blick auf das Tal der Amasse freigaben, war der luftige Raum mit ebenso grandiosen und prachtvollen leuchtend bunten Fenstern geschmückt wie denen in der Kapelle Saint-Hubert.
    Sie umrundete einmal das Gebäude, in dem sie von nun an leben sollte - mit ihren Kindern, mit Marschall de Gié und ihrer kleinen Entourage bestehend aus Jeanne, Antoinette und Souveraine, ihren Kammerzofen, einigen Dienern und Lakaien, Stallknechten und Kutschern, außerdem dem Organisten Imbert Chandelier und Robinet Testard, dem Illuminierer, die Louise in ihre Dienste genommen hatte.
    Die Amme Dame Andrée, die nach wie vor jeden Schritt des kleinen François überwachte, bildete das Schlusslicht der Eskorte, die König Ludwig XII. genehmigt hatte.
    Louise ging unter der Fenstergalerie vorbei und gelangte zur Tour Hurtault mit ihrer breiten Rampe, über die Pferde und Wagen wie auf einer Wendeltreppe bequem zu der gepflasterten Esplanade hinauf konnten.
    Von dort oben konnte sie in den Innenhof sehen, wo Marschall de Gié ihren Kindern gerade Reitunterricht auf ihrem weißen Maultier erteilte.
    Marguerite wollte endlich die junge Zelterstute reiten, die man aus Chinon mitgebracht hatte. Doch die Begeisterung des Mädchens wirkte auch ansteckend auf den kleinen, ungeduldigen François, der es nicht erwarten konnte, sein Muli gegen ein Pferd einzutauschen. Louise wusste, wie heißblütig und ungestüm ihr
Sohn war, und wollte ihm noch nicht erlauben, Pegasus zu reiten, das kleine Bearnaiser Pferd, das nur darauf wartete, dass sein junger Herr endlich alt genug war, um es reiten zu können. Marschall de Gié hatte aber ein braves Pony gefunden, auf dem er ihm die Grundzüge des Reitens beibrachte.
    Der Blick von Louise schweifte zu den Gartenterrassen, auf denen ein duftendes Blütenmeer von Stockrosen und Geranien zusammen mit Oleander und Geißblatt unter einer leichten Brise sanft wogte.
    Das Wasser der Loire wirkte an diesem Morgen so durchsichtig, dass es sich an den Schlossmauern

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