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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Coëtivy übernehmen sollen.«

    »Aber warum nur? Ihr hattet doch bereits Eure Pflicht getan, als Ihr mich zu ihm brachtet!«
    »Nein, eben nicht! Ich hätte dich behalten sollen. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich versagt habe.«
    »Aber warum nur?«, wiederholte Jacquou sacht. »Alix und ich verdanken Euch alles. Ihr habt uns gefunden, uns geholfen und uns verheiratet. Ohne Euch wären wir jetzt nicht zusammen. De Coëtivy wäre es bestimmt irgendwie gelungen, uns für immer zu trennen. Warum habt Ihr das alles für uns getan?«
    »Weil mich eure große Liebe an eine andere erinnert hat.«
    »Waren es zwei Menschen, die ich kenne?«
    Jetzt lächelte der Kardinal beinahe traurig.
    »Bitte, Jean!«, sagte Jacquou, »wer waren die beiden? Ich sehe Euch doch an, dass ich sie kenne.«
    Jeans Lächeln wurde breiter, blieb aber bitter, unsicher und gequält.
    »Wer war die Frau?«, fragte Jacquou noch einmal schüchtern, glaubte aber die Antwort bereits zu ahnen.
    »Es war Léonore, deine Mutter.«
    »Und der Mann? Der Mann war nicht Pierre de Coëtiy?«
    »Nein, Jacquou. Der Mann war ich.«
    Beide Männer schwiegen lange. Jacquou holte tief Luft, der Kloß in seinem Hals war verschwunden. Ein kühler Luftzug belebte ihn und munterte ihn auf. Er dachte nach. Und dann erhellte ein breites Lächeln sein Gesicht.
    »Dann habt Ihr meine Mutter also geliebt«, sagte er ganz leise.
    »Ja, wie wahnsinnig, Jacquou. Ich habe sie unendlich und leidenschaftlich geliebt. Nicht einmal Gott konnte daran etwas ändern.«
    Welch sonderbarer Gedanke ging dem jungen Mann durch den Kopf? Er schien über diese Vorstellung alles andere als entrüstet
zu sein, wirkte vielmehr glücklich. So war es! Er war glücklich, dass seine Mutter einen anderen Mann geliebt hatte als den Webermeister.
    Das veränderte alles mit einem Schlag. Endlich durfte Jacquou Coëtivy als den ehrgeizigen, autoritären und egoistischen Menschen sehen, der er war. Zugegeben, aus Pflichtgefühl hatte er das Kind angenommen. Aber hatte er das nicht auch aus Angst vor einem Skandal getan, wenn er sich geweigert und Jean de Villiers das Geheimnis preisgegeben hätte? Ein solcher Akt der Verweigerung - noch dazu ging es um einen Sohn - hätte seiner Karriere ernsthaft schaden können.
    Die Intelligenz des Kindes hatte dann Coëtivys Aufmerksamkeit erregt. Der Kleine war begabt und handsam, er erwies sich als guter Lehrling und später auch als guter Arbeiter. Coëtivy konnte sich nur beglückwünschen, dass er ihn in seiner Werkstatt hatte!
    Aber wie wäre es weitergegangen? Hätte der Schüler nicht vielleicht seinen Lehrmeister überrundet? Und wenn die Weber erfahren hätten, dass er sein Sohn war, hätten sie ihn dann nicht auf den zweiten Platz verwiesen? Vielleicht war die unerwünschte Heirat gar nicht der eigentliche Grund für ihr Zerwürfnis. Je mehr Jacquou darüber nachdachte, umso mehr kam er zu dem Schluss, dass der berühmte Weber Alix oder irgendeine andere Frau nur vorgeschoben hatte - Hauptsache, Jacquou blieb in seinem Schatten. Aber dass sie allen mitgeteilt hatte, dass Jacquou sein Sohn war, konnte er der jungen Frau wirklich nicht verzeihen.
    All das schoss Jacquou durch den Kopf, während er Jean anstarrte, der kein Wort verlauten ließ. Der Prälat wirkte ernst und überlegte angestrengt, wie er sagen sollte, was er noch zu sagen hatte.
    »Ihr habt kein Kind von meiner Mutter bekommen, Jean«, murmelte Jacquou, »aber Ihr hättet gern …«

    »Ja! Ich hätte dich gern behalten.«
    »Warum?«
    »Weil du mir ähnlich bist.«
    Jacquou schien überrascht.
    »Ich soll Euch ähnlich sein?«, fragte er ungläubig.
    »Du bist genauso warmherzig und liebevoll wie ich. Du bist feinfühlig, gut und großzügig. Abschätzigkeit, Überheblichkeit und Niedertracht sind dir fremd, trotzdem bleibst du immer selbstbewusst. Doch, Jacquou, ich erkenne mich in dir wieder. Aber leider ist de Coëtivy dein Vater. Daran besteht kein Zweifel.«
    »Wer hat Euch auseinandergebracht? Warum ist meine Mutter allein zurückgeblieben? Hast du sie verlassen, Jean, um deinem Gott zu dienen?«
    Jean musste lächeln, als er hörte, dass ihn Jacquou auf einmal unwillkürlich duzte.
    »Nein, es ist viel komplizierter, sehr viel komplizierter. Während des Verrückten Krieges war deine Mutter in Bourges im Gefängnis, weil sie sich mit Louis d’Orléans verbündet hatte, dem heutigen König von Frankreich. Und dort, in ihrem fürchterlichen Kerker, erfuhr sie eines
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