Die seidene Madonna - Roman
Tages, dass sechs Mönche aus dem Val de Loire wegen Verrats an der königlichen Krone gehängt worden waren. Weil sie wusste, dass ich auf der Suche nach ihr war, als die Mönche gefasst worden waren, dachte sie, ich wäre einer von ihnen.«
»Wie kam das nur?«
»In Wirklichkeit waren es sieben Mönche. Ich geriet zusammen mit den anderen in einen Hinterhalt, wurde aber als Einziger wieder freigelassen, weil ich ein einwandfreies Alibi hatte. Ein Seidenhersteller, den ich später treffen sollte, hat mich gerettet.«
»Und wie bist du in diesen Hinterhalt geraten?«
»Ich versuchte deine Mutter zu retten, die sich als Nonne verkleidet
in das Schloss von Nantes eingeschlichen hatte, um zu Isabelle zu kommen.«
»Und dann wurde meine Mutter ebenfalls gefangen genommen!«
»Ja, sie war zwei Jahre lang Gefangene von Anne de Beaujeu. Eines Tages gelang es ihr dann dank der Hilfe eines Waisenmädchens zu fliehen. Das Mädchen hieß Louise de Savoie und wuchs bei der Regentin auf.«
»Louise de Savoie!«, rief Jacquou, »das ist doch die Comtesse d’Angoulême!«
»Richtig. Sie hat Léonore gerettet.«
Jetzt war Jacquou vollends verwirrt.
Diese Geschichte berührte ihn nicht weniger als die vorangegangenen Erklärungen. Die Comtesse d’Angoulême, die Freundin von Alix, hatte seine Mutter gerettet! Und durch einen seltsamen Zufall hatte Alix, zumindest vorübergehend, dem Herzog von Angoulême das Leben gerettet.
»Wie konnte denn Louise de Savoie meiner Mutter das Leben retten?«
»Irgendwann hatte ihr die Regentin, ihre Kerkermeisterin, erlaubt, gelegentlich unter den wachsamen Blicken zweier Leibwächter, die ausschließlich Léonore zu bewachen hatten, in den Garten zu gehen. Eines Tages waren die beiden aber nicht auf ihrem Posten, und die kleine Louise de Savoie, die damals vielleicht acht Jahre alt war, begann ein Gespräch mit Léonore und verriet ihr einen geheimen Ausgang, der hinter einem Gestrüpp versteckt war und aus der Burg führte. Auf diesem Weg gelang ihr die Flucht und sie kehrte nach Brügge zu ihrem Vater, dem Weber Thomassaint Cassex, zurück.«
»Und was geschah dann, Jean? Danach?«
»Das Schicksal nahm seinen Lauf, Jacquou! Meines wollte,
dass ich zu Gott zurückfand, und für Léonore hat es bestimmt, dass sie sich in die Arme von Coëtivy warf, den sie schon vor mir gekannt hatte.«
»Aber warum hatte sie ihn dann für dich verlassen?«
Der Kardinal erhob sich und trat an das große Fenster, von dem aus man eine der goldenen Kuppeln des Vatikans und davor einen großen Park voller Grün und Blüten sehen konnte. Dann kam er zurück.
»Willst du wirklich Anfang und Ende unserer Geschichte erfahren?«
»Ja, Jean, für meinen Seelenfrieden ist das unerlässlich. Bisher kenne ich ja nur die Geschichte, die mir Isabelle zum Glück erzählt hat. Ich bitte dich, fahre fort.«
»Léonore hatte Pierre de Coëtivy auf der Flucht vor ihrem abscheulichen Ehemann kennengelernt, dem Herrn Guillaume de La Baume, der am Hof von Burgund diente. Man hatte sie zur Ehe mit diesem Mann gezwungen, der ihr Gewalt angetan und ihr das Leben zur Hölle gemacht hat. Als sie zum ersten Mal vor ihm floh, war sie de Coëtivy begegnet. Aber als sie mit de Coëtivy unterwegs nach Flandern war, traf sie ihren ersten Geliebten und Vater von Isabelle wieder, den Duc de Berry.«
»Das hat mir Isabelle erzählt.«
»Was du aber nicht weißt - an dem Tag, an dem sie de Berry wiedersah, hat de Coëtivy sie verlassen, weil ihm seine Arbeit mehr bedeutete als seine Mätresse. In Brügge hatte sie ihren verhassten Mann endlich vergessen, aber er hat sie dort aufgespürt. Nachdem er sie beinahe auf schreckliche Weise hätte töten lassen - sie wurde von ihren Halbbrüdern gerettet, die, wie du weißt, auch meine sind -, hat Léonore in meinem Kloster Zuflucht gesucht. Und dort haben wir uns kennengelernt. Wir waren nicht blutsverwandt, weil wir nicht die gleichen Eltern hatten.«
»Ich wusste nicht, dass Seigneur de La Baume ein Folterknecht gewesen ist.«
»Er hat sie noch einmal gefunden und hätte sie diesmal wirklich getötet, wenn nicht …«
Jean unterbrach sich und machte ein gequältes Gesicht.
»Wenn nicht was?«, fragte Jacquou aufgeregt.
Jean holte tief Luft und sagte dann beinahe tonlos:
»Wenn ich es nicht selbst getan hätte.«
»Ihr … Ihr habt ihn getötet?«, wiederholte Jacquou und verwendete plötzlich wieder die höfliche Anrede, weil es ihm schier die Sprache verschlagen hatte.
»Ich
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