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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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jemand?«, rief jetzt auch sie.
    Ein großer, zerzauster Männerkopf tauchte in dem Fenster auf, das jemand einen Spalt breit geöffnet hatte.
    »Wir sind Reisende und durch das Unwetter vom Weg abgekommen«, rief Alix. »Wir wollten nach Norden.«
    Endlich zeigte sich der Mann in der Türöffnung.
    »Wer seid Ihr?«, rief er ihnen von weitem zu.
    »Ich gehöre zur Webergilde und bin mit meinem Kutscher unterwegs nach Reims. Das Gewitter und die Dunkelheit haben uns überrascht. Dürfen wir die Nacht bei Euch verbringen?«
    »Wir nehmen keinen auf!«, rief der Mann zurück. »Woher sollen wir wissen, dass Ihr keine Diebe seid?«
    »Weil ich bezahlen kann«, antwortete Alix und hielt eine Münze hoch. »Wenn Ihr uns einlasst, bekommt Ihr zehn davon. Mehr kostet auch eine Nacht in der Herberge nicht. Wenn Ihr uns ein trockenes Plätzchen zum Schlafen, eine Suppe für zwei und etwas
Heu für unsere Pferde gebt, macht Ihr bestimmt kein schlechtes Geschäft.«
    »Eure Pferde! Wo sind die denn?«
    »Da hinten, am Ende vom Weg«, rief Alix und deutete auf die Kutsche.
    Der Mann kam ein paar Schritte näher, und Alix entdeckte hinter ihm eine Frau mit einer Fackel in der Hand. Soweit sie erkennen konnte, war sie klein und korpulent und trug eine Nachthaube über ihrem grauen Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel. Sie hatte ein langes blaues Nachthemd aus grober Wolle und Holzpantoffeln an.
    »Wo ist denn dein Mann?«, fragte sie Alix argwöhnisch.
    »Er ist in unserer Werkstatt, weil wir viel Arbeit haben. Ich komme aus Tours und habe letzte Nacht in Chartres übernachtet.«
    »Zeig mir das Geld.«
    Alix streckte die Hand aus und öffnete sie, aber die Bauersfrau war zu weit weg, um die Münzen in dem schwachen Mondlicht glänzen zu sehen. Die Frau war offenbar sehr misstrauisch und schwieg nun wieder. Jetzt schüttelte Alix die Geldstücke in der hohlen Hand, dass sie klimperten. Der finstere Blick der Bäuerin wurde freundlicher, aber sie sagte noch immer nichts.
    »Wie Ihr wollt! Dann gehen wir eben wieder«, meinte Alix leichthin.
    »Halt, warte!«, rief die Frau und kam auf sie zu. Sie lief beinahe, so eilig hatte sie es plötzlich. Dann baute sie sich breitbeinig vor Alix auf und wiederholte, ohne den Blick von Alix’ Händen zu wenden:
    »Zeig’s her!«, befahl sie und kam nahe genug, um zu sehen, was Alix in der Hand hielt.
    Sie sah die Münzen, konnte sie so aber nicht zählen. Also nickte sie und wurde genauer:

    »Fünfzehn Sous für eine Specksuppe im Stall, fünfundzwanzig für ein warmes Bett, dein Diener inklusive.«
    Der »Diener« muckste nicht. Er zuckte nur die Schultern und lächelte nachsichtig.
    »Dein Diener schläft im Schuppen.«
    »Ich bin kein Diener, ich bin Kutscher«, erwiderte Juan nun.
    Juans unüberlegte Erwiderung verwirrte die Bauersfrau, aber sie meinte nur:
    »Macht doch kein’ Unterschied. Also - was ist?«
    »Kommt ganz darauf an«, antwortete Alix. »Ich zahle fünfzehn Sous für eine Specksuppe im Stall, aber zwanzig für ein Essen an Eurem Tisch und ein warmes Bett, und noch einmal fünf für Heu und Stroh für meine Pferde.«
    »Einverstanden!«
    Juan brachte mit dem Bauern die Pferde in den Stall, damit sie es trocken hatten und sich ausruhen und fressen konnten. Wenige Minuten später kam er ins Haus, den Bauern auf den Fersen. Man konnte Juan ansehen, wie sehr er sich auf das versprochene Nachtessen freute. Immerhin hatte er großen Hunger.
    »Für fünfundzwanzig Sous kriegen die Kleine und ihr Diener Suppe, Pastete und Huhn«, sagte sie zu ihrem Mann. »Das bringt sie wieder auf die Beine. So ein verdammter Sturm kann einem einen ganz schönen Schrecken einjagen.«
    Sie hüllte sich in ihr großes Tuch, stemmte die Hände in die Hüften und sagte:
    »Nehmt’s mir nicht übel, Fräulein, aber man muss schon vorsichtig sein. Sind genug Räuber und Landstreicher unterwegs! Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr so jung seid, hätt’ ich Euch nicht für einen Dieb gehalten und Euch auch nicht so lang warten lassen.«
    Alix und Juan aßen mit großem Appetit. Nach dem sintflutartigen
Regen, der sie bis auf die Knochen durchnässt hatte, fanden sie die große warme Küche sehr gemütlich, obwohl der Bauer noch immer finster dreinblickte.
    Die Suppe mit Speck und Zwiebeln schmeckte wunderbar, und auch die Entenpastete mit Thymian war ausgezeichnet. Und die alte Charlotte schien auch endlich aufzutauen.
    »Geh schlafen, Théodore!«, sagte sie zu ihrem Mann mit seinem struppigen

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