Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
die einzige Wurzel, die sie kannte, und auch nur, weil sie sie wegen ihrer schönen Blätter als Webvorlage zeichnete.
    Jetzt schien der kleine Mönch erstaunt und deutete sogar ein Lächeln an.
    »Da ist Euch aber etwas ziemlich Kluges und Schlaues eingefallen, damit ich mit Euch spreche.«
    Vorsichtig schüttelte er die kleinen sprießenden Blätter, um sie von der Erde zu befreien, die an ihnen klebte.
    »Die wenigsten Leute kennen diese Pflanze. Wie habt Ihr sie erkannt?«
    »Weil sich ihre Blätter so sonderbar aufrollen. Die Osterluzei ist sehr selten, und man sagt ihr nach, dass ihr Sud sehr gesund für den Blutkreislauf ist«, fuhr Alix fort und strahlte den kleinen Abbé an.
    »Richtig. Diese Pflanze verwende ich für viele meiner Heilmittel. Ich bin nämlich der Apotheker des Erzbistums und baue hier alles selbst an.«

    Er reichte Alix die Wurzel und ließ sie daran riechen. Vorsichtig nahm sie sie in die Hand und führte sie zu ihrem Gesicht.
    »Sie ist ein Symbol für Glück und Reichtum«, sagte sie. »Und sie hilft in der Schwangerschaft und bei Entbindungen.«
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Wenn ich sie zeichne, denke ich auch immer an ihre Heilwirkungen. Aber ich muss gestehen, dass ich noch nie eine in der Hand hatte.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Sie gab dem Mönch das Pflänzchen zurück.
    »In Zukunft werde ich immer an Euch denken, wenn ich eine Luzei zeichne.«
    »Dann seid Ihr also Stickerin?«
    »Nein, ich bin Weberin. Ich stelle die Osterluzei auf meinen Teppichen dar.«
    Jetzt sah er Alix interessiert an.
    »Ich weiß alles über die Pflanze. Wenn ich ihre großen Blätter webe, wie sie klettern und herunterfallen, sich aufrollen und kringeln und ranken, und mit meinem Goldfaden das Gelb ihrer Blüte und meinem blauen Seidenfaden den Blütenrand gestalte, hat sie keine Geheimnisse mehr vor mir.«
    Alix kostete die Wirkung ihrer Worte aus.
    »Stimmt es, dass sie genauso schädlich wie nützlich sein kann?«
    »Das gilt für alle Pflanzen, mein Kind«, antwortete ihr der Abbé. »Man muss wissen, wie man sie verwendet, und sehr vorsichtig damit umgehen.«
    Endlich war das Eis zwischen ihnen gebrochen, und er nahm sie behutsam am Arm und führte sie durch seinen Garten.
    »Gehen wir ein paar Schritte. Dann könnt Ihr mir sagen, was Euch zu mir führt.«

    Er machte eine ausladende Handbewegung und deutete auf die vielen Pflanzen in seinem Reich.
    »Seht nur, welchen Schaden die Unwetter und Stürme der letzten Wochen in meinem Garten angerichtet haben. Die Hälfte der Pflanzen ist entwurzelt, bei den anderen sind die Knospen und Triebe abgebrochen. Das ist eine echte Katastrophe, und ich weiß gar nicht, wie ich das alles wieder in Ordnung bringen soll. Aber lassen wir das - verratet mir lieber den Grund Eures Besuchs.«
    »Ich möchte Erzbischof de Lenoncourt sprechen.«
    Abbé Mirepoix blieb stehen und musterte seine Begleiterin fragend.
    »Weiter nichts?«, fragte er und schüttelte seinen runden Kopf mit der Tonsur. »Wisst Ihr nicht, dass es langer Vorbereitungen und Gespräche mit seinen Beratern bedarf, ehe man zu ihm vorgelassen wird?«
    »Jeanne d’Arc hat auch den Dauphin von Frankreich getroffen, nachdem sie sich nur mit der Duchesse d’Anjou beraten hatte.«
    »Auch dies war eine weise Entgegnung, mein Fräulein, die mich sprachlos lässt und wegen der ich Euch weiter zuhören will. Auch wenn sie sonst nichts und niemand gerettet hätte - Euch wird Jeanne d’Arc gerettet haben! Ohne sie hätte ich Euch jetzt nämlich auf der Stelle zur Antwort gegeben, dass es unmöglich ist, Monsignore de Lenoncourt nur über mich zu sehen zu bekommen.«
    »Könntet Ihr denn irgendetwas für mich tun?«
    »Erst einmal müsst Ihr mir sagen, was Euer Anliegen ist - und vor allem, wer Euch schickt?«
    »Seigneur de La Tournelle hat mich geschickt. Mein Mann und ich haben für ihn ein Ensemble aus sechs Wandteppichen mit historischen Motiven gewebt. Mein Mann heißt Jacques Cassex
und er ist Webermeister, und ich möchte Monseigneur de Lenoncourt auf Empfehlung seines Freundes, des Herrn de La Tournelle, um einen Auftrag bitten.«
    »Das wird nicht einfach sein, mein Kind, aber ich werde sehen, was ich für Euch tun kann. Kommt morgen nach der Vesper wieder ins Pfarrhaus. Dann wird Euch jemand empfangen, der einen höheren Rang hat als ich. Ihr müsst ihm gegenüber nur genauso überzeugend auftreten wie bei mir.«
    Alix war froh und zufrieden und hatte keine weiteren Bitten. Ehe sie den Garten

Weitere Kostenlose Bücher